Angela Merkel war vor Wladimir Putin an der Reihe, mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump zu telefonieren. Das wertet Berlin als erste kleine vertrauensbildende Maßnahme.

Berlin/Washington - Im Bundeskanzleramt ist das Männermagazin „Playboy“ gelesen worden, um das erste längere Gespräch zwischen Hausherrin Angela Merkel mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump vorzubereiten. Und so ging die Kanzlerin in das 45-minütige Telefonat am Samstagnachmittag mit dem Wissen, dass ihr Gegenüber dem Heft schon 1990 eine Reihe von Dinge gesagt hat, die er nun im Weißen Haus sagt. So war schon vor 27 Jahren bei Trump die Rede davon, dass Amerikas „so genannte Alliierte“ vom US-Militär „kostenlos verteidigt“ würden und er, falls er denn einmal Präsident sein sollte, sofort „eine Steuer auf jeden Mercedes-Benz einführen würde, der auf unseren Straßen rollt“. Zu den psychologischen Erkenntnissen über Trump zählte bei der Lektüre des alten „Playboy“ auch dieser Satz: „Ich stelle gern Freundschaften auf die Probe.“

 

Schlüsselrolle für die Kanzlerin

Das ist mit dem Machtwechsel in den transatlantischen Beziehungen inzwischen eindeutig der Fall. Merkel jedenfalls hat über das Interview nicht nur intern oder vergangene Woche mit dem ein oder anderen Staatsgast gescherzt, sondern daraus auch geschlossen, dass das von Trump Gesagte wirklich ernst genommen werden muss und nicht nur als Wahlkampfmodus abgetan werden kann.

Und weil seine Berater natürlich in vielen Punkten ähnlich denken wie er, kommt es nun umso mehr auch auf andere Staats- und Regierungschefs an, um ihm beispielsweise eine andere Sicht auf die Nato oder die EU zu vermitteln – Merkel spielt als am längsten amtierende westliche Regierungschefin dabei eine Schlüsselrolle.

Trump akzeptiert Einladung zum G20-Gipfel

Und so hat sie Trump über die diplomatischen Kanäle schon vor ihrem Telefonat einen Besuch in Washington angeboten, zu dem der Präsident sie am Samstag nun eingeladen hat. „Bald“, so hieß es in einem gemeinsam veröffentlichten Pressestatement, soll es so weit sein. Klar ist nun auch, dass es einen Gegenbesuch Trumps in Deutschland geben wird, da er wiederum Merkels Einladung zum G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg akzeptierte.

Dies und weitere Formulierungen in der Presseerklärung lassen zumindest vermuten, dass die, wie es in Merkels Umfeld heißt, „gute Atmosphäre“ tatsächlich existiert haben könnte. Offenbar gab es in dem zweiten Telefonat nach dem kurzen Glückwunschanruf direkt nach der Wahl Anfang November zumindest eine Art von Gesprächsbasis. So sollen dem Vernehmen nach zwar nicht die heiklen Wirtschaftsfragen rund um protektionistische Strafzölle, aber im Rahmen des Gesprächspunktes Syrien doch die gravierenden Meinungsunterschiede in der Flüchtlingspolitik angesprochen worden sein. Und es gab sogar verbindlich klingende Zusagen.

Einigkeit über Bedeutung der Nato

So sind sich Kanzlerin und Präsident nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert in der Erklärung „über die fundamentale Bedeutung einig, die das Nato-Bündnis für die transatlantischen Beziehungen hat und über die Rolle, die es bei der Bewahrung von Frieden und Stabilität spielt“. Das ist nicht wenig angesichts dessen, dass Trump die Allianz mehrfach als „obsolet“ bezeichnet hat.

Im Gegenzug sicherte Merkel „Investitionen in die militärischen Fähigkeiten“ zu und einen „fairen Beitrag aller Verbündeten zur kollektiven Sicherheit“. Darüber, dass auch Deutschland bald schon die zugesagten zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Militär und Rüstung ausgeben muss, wird in Berlin schon länger diskutiert.

Wichtig war der deutschen Seite, dass die Kanzlerin vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Trump über die Annexion der Krim, Moskaus Rolle in der Ostukraine und die deshalb verhängten Sanktion reden konnte. Darauf hatten ihre Emissäre schon vor dem Telefonat gedrungen, damit nicht Fakten geschaffen würden, ehe der neue US-Präsident überhaupt die Sichtweise Europas gehört hätte, von dem er und sein Stab ohnehin noch nicht sehr viel verstehen, wie es im Kanzleramt heißt.

Mit diesem Anliegen jedenfalls fand man bei der Washingtoner Administration Gehör: Am Samstagabend griff Trump erst zum Hörer, um mit Putin zu reden, nachdem ihn Merkel auf eben jene Bedeutung der Nato aufmerksam gemacht hatte.

Kleine vertrauensbildende Maßnahme

Ob aus dieser ersten kleinen vertrauensbildenden Maßnahme noch mehr wird und die Ansage in der Presseerklärung umgesetzt werden kann, die deutsche-amerikanischen Beziehungen nun „noch zu vertiefen“, bleibt freilich abzuwarten. Denn wie sprach Donald Trump schon 1990 über einen möglichen Präsidenten Trump: „Er würde den Russen nicht trauen, und er würde unseren Verbündeten nicht trauen.“