Das Geständnis des ehemaligen US-Sporthelden wirft Fragen auf. Die Antworten wird vor allem die Justiz geben müssen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Lance Armstrong weiß, was auf ihn zukommt. Gut vorbereitet sei er gewesen, sagt die Starmoderatorin Oprah Winfrey über das Gespräch mit dem tief gefallenen ehemaligen amerikanischen Sporthelden, das im US-Fernsehen in zwei Teilen am Donnerstag- und Freitagabend ausgestrahlt wird. Lance Armstrong und seine Rechtsanwälte werden sich deshalb der Folgen des Dopinggeständnisses bewusst sein. Und bestimmt haben sie sich zuvor folgende Fragen gestellt:

 

Droht Armstrong eine Haftstrafe?

Es ist denkbar, dass Lance Armstrong ins Gefängnis muss. Schließlich hatte er im Jahr 2006 im Rechtsstreit mit der PR-Agentur SCA Promotions vor Gericht geschworen, nicht gedopt zu haben. Wegen Meineids im Zusammenhang mit Doping wurde 2008 die Sprinterin Marion Jones zu einer sechsmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung und 400 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Lance Armstrong wird allerdings darauf spekulieren, dass ihm im Unterschied zu Marion Jones der Gang ins Gefängnis erspart bleibt. Er wird für sich wohl die Kronzeugenregelung geltend machen wollen, indem er gegenüber der Staatsanwaltschaft Hintermänner des flächendeckenden Dopingsystems nennt.

Was muss Armstrong zahlen?

Die texanische PR-Agentur SCA Promotions hat bereits angekündigt, sieben Millionen Euro zurückzufordern, die sie nach Armstrongs Schwur für dessen sechsten Toursieg als Prämie zahlen musste. Dieser Forderung wird Armstrong nun ebenso nachkommen müssen wie jener der britischen Tageszeitung „The Sunday Times“, die 2004 geschrieben hatte, dass Armstrong gedopt sei. Armstrong klagte und erhielt damals umgerechnet 370 000 Euro. Geld, das er nun zurückzahlen muss. Mit Schadenersatzforderungen von Sponsoren – wie dem Ausrüster Nike – ist dagegen nicht zu rechnen, schließlich machten die mit Hilfe des Werbeträgers Armstrong einst sehr gute Geschäfte. Völlig offen ist noch, ob der Dopingsünder Preisgelder zurückerstatten muss, wozu er bei einem geschätzten Vermögen von 125 Millionen Euro durchaus in der Lage wäre.

Gegen wen sagt Armstrong aus?

Die juristische Strategie seiner Anwälte dürfte ganz darauf ausgelegt sein, hohe Funktionäre von Armstrongs ehemaligem US-Postal-Team, des Radsportweltverbands UCI und des Tour-de-France-Veranstalters Aso zu belasten. Allesamt fordern sie nämlich Prämien und Preisgelder vom 41-Jährigen zurück. Sollte sich aber anhand der Aussagen von Armstrong herausstellen, dass dort an den entscheidenden Stellen Mitwisser oder sogar Mittäter saßen, könnte dies weiteren finanziellen Schaden von ihm abhalten. Dazu müsste Armstrong beispielsweise gegen seinen Mentor und ehemaligen US-Postal-Teamchef Johan Bruyneel, die UCI-Präsidenten Hein Verbruggen und Pat McQuaid sowie den Tour-Direktor Christian Prudhomme aussagen.

Was bedeutet das alles für den Radsport?

Wenn ans Tageslicht kommt, dass Lance Armstrong von höchster Stelle gedeckt wurde, ist der Profiradsport in seiner jetzigen Form wohl nicht mehr zu retten. Der Weltverband UCI und die Tour de France müssten sich personell und strukturell komplett neu aufstellen – wenn dies überhaupt noch möglich ist. Und so wird bereits über eine einjährige Rennpause im Profiradsport spekuliert.