Aus männlichen Übergriffen werden weibliche Phantasmen: Katharina Adler stellt in Stuttgart ihren Roman „Ida“ über ihre Urgroßmutter vor, eine berühmte Patientin Freuds.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Das Literaturhaus Stuttgart widmet sich am Donnerstag Freudianischen Stunden. Dabei stellt Katharina Adler ihren Roman „Ida“ über ihre Urgroßmutter vor. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war sie Patientin in der Praxis Sigmund Freuds. Unter dem Namen Dora ging sie in die Historie der Psychoanalyse ein: als Opfer einer Behandlungsmethode, die männliche sexuelle Übergriffigkeiten in weibliche Phantasmen verdreht, und als Heldin, die sich schließlich selbstbewusst der Kur entzogen hat.

 

Frau Adler, Sigmund Freud kommt im Fall Ihrer Urgroßmutter nicht gut weg. Was hat Sie bewogen, ihre Geschichte zu erzählen?

Es gibt viel Fachliteratur, die sich mit dem Fall Dora auseinandersetzt, mittlerweile vorwiegend kritisch. Doch selbst da steht Freud im Mittelpunkt. Für die Frau hinter dem Pseudonym Dora, für ihr Leben jenseits ihrer kurzen Kur in der Berggasse 19 hat sich trotz aller Kritik kaum jemand interessiert. Deshalb war es mir so wichtig ihre Geschichte zu erzählen. Ida Adler (geb. Bauer) war so viel mehr als nur eine Patientin.

Hat die Auseinandersetzung für Sie einen therapeutischen Effekt?

Nicht unbedingt direkt, aber ein großer Gewinn war die jahrelange Beschäftigung mit meiner Urgroßmutter auf jeden Fall. Für mich ist beim Erzählen ihrer Geschichte auch noch einmal sehr deutlich geworden, wie wichtig es ist, das Leben von Frauen zu beleuchten. Das Schicksal von Frauen in das Zentrum von Erzählungen zu rücken hat hoffentlich für uns alle einen gewissen therapeutischen Effekt.

Welches Verhältnis haben Sie zur Psychoanalyse?

Ich habe ein analytisches Verhältnis zur Psychoanalyse. In ihrer heutigen fortentwickelten Form ist es gewiss eine wirksame Behandlung. Wie jedoch nicht jedes Medikament für jeden Patienten passend ist, so ist sie für mich ein Ansatz neben anderen therapeutischen Methoden, die es jedoch ohne die Psychoanalyse in dieser historischen Form wohl nicht gäbe.

Termin: Literaturhaus Stuttgart, Donnerstag 20.30 Uhr. Um 19 Uhr stellt Lothar Müller sein Buch „Freuds Dinge“ vor.