Detlef Selhausen hat am Mittwoch im Bundestag über die Kostenexplosion bei dem Rüstungsprojekt Euro Hawk gesprochen. Aber warum schwieg der Leiter der Hauptabteilung Rüstung im Verteidigungsministerium davor 46 Sekunden lang?

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Detlef Selhausen ist ein methodischer Mann, der sich akribisch auf den Untersuchungsausschuss vorbereitet hat. Er ist Leiter der Hauptabteilung Rüstung im Verteidigungsministerium und einer der besten Kenner des Euro Hawk und seiner Beschaffungsgeschichte. Selhausen hat bei der Sitzung am Mittwoch viele wichtige und viele weniger wichtige Fakten vorgetragen. Am meisten Aussagekraft hatte aber nicht, was er sagte, sondern wie er schwieg. 46 Sekunden lang blieb Selhausen stumm, bevor er die Frage des SPD-Abgeordneten Hans-Peter Bartels beantwortete. Der fragte nach einer Mail, mit der Selhausen das Büro des Staatssekretärs Stéphane Beemelmans schon am 19. Januar 2012 vor einer „dramatischen Kostenexplosion“ auf mehr als eine Milliarde Euro beim Euro Hawk gewarnt hatte.

 

Mit dem Dokument hat die SPD im Untersuchungsausschuss einen kleinen Coup gelandet. Selhausen mochte es anscheinend zunächst gar nicht glauben, dass er eine solche Aussage schon damals getroffen haben soll, und ließ sich die Mail zeigen. Dann las er das Schriftstück und schwieg dabei so anhaltend, dass man im Saal 4900 des Paul-Löbe-Hauses eine Büroklammer hätte fallen hören können. Zwar hatte Selhausen zu dem Zeitpunkt – als ein Besuch von Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei der EADS-Tochter Cassidian bevorstand – betont, dass er seine Erwartungen und die Schätzung der möglichen Kostensteigerungen noch einmal „validieren“ wolle. „Sollte sich die Größenordnung bestätigen . . . wird das Verteidigungsministerium über die Einleitung der Beschaffung der Serienluftfahrzeuge    . . . neu entscheiden müssen“, schrieb Selhausen aber auch. „Nach meiner ersten Einschätzung werde ich eine solche Maßnahme nicht empfehlen.“

Auch der Rechnungshof übt massive Kritik

Damit wusste die Hausspitze schon deutlich vor dem Projektstopp im Mai 2013, dass die Zulassungsprobleme die Kosten massiv in die Höhe zu treiben drohten. Das bringt Verteidigungsminister Thomas de Maizière erneut in Erklärungsnot. Er gab an, erst im Mai 2013 von „unlösbaren Problemen“ mit der Aufklärungsdrohne erfahren zu haben. Ob und warum sein Staatssekretär – Stéphane Beemelmans ist der Vertraute, den de Maizière ins Verteidigungsministerium mitgebracht hatte – ihn darüber nicht informierte, wird de Maizière bei seiner Befragung im Ausschuss in einer Woche erklären müssen. Daran ändert auch nichts, dass Selhausen die Nachfrage des Abgeordneten Bartels ins Leere laufen ließ, ob seine damalige Einschätzung zum Euro Hawk den Minister erreichen sollte. „Ich habe keine Erkenntnisse, ob es den Minister erreicht hat“, sagte Selhausen ausweichend. Sein Ziel sei gewesen, dafür zu sorgen, dass auf der Leitungsebene „ein Problembewusstsein vorhanden ist“.

Zuvor hatte schon die zuständige Beamtin beim Bundesrechnungshof, Angelika Bauch, scharfe Kritik am Ministerium geübt. Sie beklagte nicht nur eine gewisse Blauäugigkeit im Umgang mit den unterschiedlichen Zulassungsverfahren hier und in den USA. Deren Risiken seien schon vor Vertragsabschluss im Jahr 2007 massiv unterschätzt worden. In ihren Augen hätte man bereits 2009 und 2011 wegen sich abzeichnender Probleme das Gesamtprojekt auf den Prüfstand stellen müssen. Sie rügte in nüchternen Worten, dass Fachaufsicht und Projektcontrolling nicht funktioniert hätten. Außerdem bemängelte sie, dass es im Verteidigungsministerium kein einheitliches Dokumentenmanagement gebe, weshalb sich niemand schnell einen Überblick über den Sachstand verschaffen könne. Aber nicht nur den mittleren Bürokratieebenen stellte Frau Bauch ein schlechtes Zeugnis aus. Sie verwies auch darauf, dass der Euro Hawk als „leitungsrelevantes Projekt der Kategorie I“ eingestuft sei. Damit habe der Minister die Pflicht, sich regelmäßig über den Fortgang zu informieren.