Zwei sozialdemokratische Kronzeugen verstricken sich in der Edathy-Affäre in Widersprüche. Ist der frühere Chef des Bundeskriminalamts die Quelle der Indiskretionen?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - In der Nacht zum Freitag war die Wahrheit nicht zu finden. Kurz vor zwei Uhr früh hat der Untersuchungsausschuss, der die politischen Hintergründe der Kinderporno-Affäre um den ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy aufklären soll, seine bisher wichtigsten Zeugen in die Weihnachtsferien entlassen. Edathy und sein Fraktionskollege Michael Hartmann widersprechen sich fundamental. Die gegenseitigen Anschuldigungen und die Vorwürfe gegen den Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, Thomas Oppermann, belasten auch die Zusammenarbeit in der großen Koalition.

 

„Es wird hammerhart gelogen. Aber von wem, das wissen wir nicht“, sagte der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der Vorsitzender des Innenausschusses ist. In der Regierungskoalition sei „das Vertrauen ein gutes Stück weit abhanden gekommen“. Edathy hatte am Donnerstag seinen Genossen Hartmann, den ehemaligen Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, und SPD-Fraktionschef Oppermann belastet. Hartmann und Ziercke sollen ihn fortlaufend über die Ermittlungen in seinem Fall informiert haben. Oppermann habe Informationen in der Fraktion gestreut.

SPD-Fraktionschef nennt Vorwürfe „völlig absurd“

Der Beschuldigte nannte dies „völlig absurd“. Oppermann versicherte: „Ich habe mein Wissen über den Fall Edathy bis zu dessen Mandatsniederlegung keinem meiner Mitarbeiter anvertraut.“ Sorgen über seine politische Zukunft mache er sich nicht, er werde „auch in einem Jahr noch Fraktionschef sein“, sagte er dem „Spiegel“.

Im Untersuchungsausschuss wurden die Aussagen der beiden Kronzeugen Hartmann und Edathy unterschiedlich beurteilt. Die SPD zog Edathys Glaubwürdigkeit in Zweifel. Beispielhaft sei die Behauptung, das Landgericht Verden habe ihm angeboten, das Verfahren wegen Kinderpornografie gegen eine Geldbuße einzustellen. Das Gericht selbst bestreitet dies.

CDU: Opfer ist nicht Edathy, Opfer sind die Kinder

Frank Tempel, der für die Linksfraktion im Untersuchungsausschuss sitzt, betonte hingegen, Edathy habe „detailreich und umfänglich“ ausgesagt. Hartmann jedoch habe sich „in zahlreiche Widersprüche verstrickt“. Irene Mihalic, Grünen-Abgeordnete im Edathy-Ausschuss, bekräftigte dies. Sie halte Hartmanns Aussagen für „nicht überzeugend“. Edathys Ausführungen seien „in sich stimmig und plausibel“ gewesen. Allerdings betonte Mihalic: „Ich kann nicht sagen, wer die Wahrheit sagt.“ Nur weil die eine Aussage schlüssiger erscheine, müsse es nicht die Wahrheit sein. Fest stehe aber: „Einer muss lügen.“

Armin Schuster, der Obmann der Union im Untersuchungsausschuss, erklärte gegenüber der Stuttgarter Zeitung: Die Lage sei „für den Koalitionspartner SPD unangenehm“. Die Aussagen beider Zeugen hätten „viele nicht plausible Bestandteile“ enthalten. Zu dem von Edathy vorgelegten Beweismaterial sagte er: „Keine einzige SMS ist so kompromittierend, dass man damit wirklich etwas anfangen könnte.“ Seine Versuche, sich als Opfer zu stilisieren, würden die wahren Verhältnisse auf den Kopf stellen. „Opfer sind die Kinder, die in den Videos zu sehen sind“, betonte Schuster. Sein Fazit lautete: „Einer von beiden oder beide sagen die Wahrheit nicht. Vermutlich gibt es eine dritte Wahrheit.“

Dem will der Untersuchungsausschuss am 15. Januar auf die Spur kommen. Für diesen Termin sind Ziercke und noch einmal Edathy als Zeugen geladen. Die Opposition dringt auf eine direkte Gegenüberstellung der Widersacher Edathy und Hartmann. Das Gesetz würde ein Kreuzverhör, bei dem beide Kontrahenten an einem Tisch sitzen, erlauben. Die Koalitionsfraktionen halten davon aber nichts.