In der CSU überwiegt der Ärger über das Hopplahopp-Verfahren zur Abstimmung über die Ehe für alle. In der Sache sind die Fronten aber weniger hart: Die Partei zeigt sich bei näherem Hinsehen offener als gedacht.

München - Die CSU gilt als das Bollwerk des Konservatismus in der Union. Mitunter ist sie aber erstaunlich flexibel – nicht nur im Kurs, den Parteichef Horst Seehofer gegenüber seiner CDU-Kollegin Angela Merkel fährt. Dann und wann schimmert bei aller Härte auch die klassische bayerische Haltung des Leben-und leben-lassens durch. Und so wurde, wer vor der Parlamentsabstimmung über die Ehe für alle nach einem heftigen Krach in der Partei suchte, zwar fündig – aber auch wieder nicht.

 

Zwar behaupteten Insider am Donnerstag in München, die Basis sei „verstört und aufgebracht“ über den Kurswechsel der Kanzlerin, über das rot-rot-grüne Vorpreschen im Bundestag und den Strudel, in welchen man sich dadurch gezogen fühle. Aber die Zahl der tatsächlichen Wortmeldungen aus den Orts- und Kreisverbänden scheint sich in Grenzen zu halten. Einen Aufstand jedenfalls, aufgrund dessen man das Parlamentsvotum boykottieren könnte, hat es wohl nicht gegeben.

Was ist eine glückliche Familie?

So bleibt die Parteispitze hauptsächlich darüber verärgert, dass das Thema jetzt so „im Hauruckverfahren“ auf die Tagesordnung des Bundestags gekommen ist – auch wenn Parteichef Horst Seehofer bei den Vorgesprächen der Unionsführung dabei war und in der Sache nicht generell gegen die Aufweichung der alten Linie protestiert hat. Damit fährt Seehofer durchaus einen anderen Kurs als etwa der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer, der das Thema „überhaupt nicht im Bundestag“ haben wollte; die CSU-Führung, meinte er, solle sich davor hüten, auch noch „die letzten konservativen Werte zu zerstören“.

Unter den CSU-Abgeordneten im Bundestag aber herrscht da keine Einigkeit: Die einen sagen, sie würden diesen Freitag „auf jeden Fall mit Nein stimmen“; andere – wie die Regensburgerin Astrid Freudenstein – versichern, an ihnen werde „die Ehe für alle nicht scheitern“. Selbst der Beton der alten Parteiposition, der zufolge es zu einer glücklichen Familie eine Mutter und einen Vater brauche, ist nicht mehr so stabil. Freudenstein etwa sagt: „Auch eine Mann-Frau-Ehe garantiert kein Gelingen von Familie und Erziehung. Und ich weiß, dass Kinder auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen gut aufwachsen können.“

Immer diese Lebensrealität...

Die alte, strikt gegen die „Ehe für alle“ gerichteten Linie der Partei hat sogar offiziell eine kleine Biegung erhalten. Die CSU, so heißt es auf der Website der Partei ganz allgemein, – habe „Respekt und Verständnis“, wenn Bundestagsabgeordnete bei der Abstimmung „ihrem Gewissen folgen“. Zwar stünden Ehe und Familie „bei uns im Mittelpunkt“, aber „auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften werden Werte gelebt, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind“.

Marcel Huber, der Chef der Bayerischen Staatskanzlei, hatte schon am Mittwoch mit Verweis auf das im vergangenen November weich formulierte Parteiprogramm gesagt, die CSU lehne jegliche Form der Diskriminierung homosexueller Lebenspartnerschaften ab, „auch die personenstandsrechtliche“. Und, ja: Auch das Grundsatzprogramm der CSU verweigere sich nicht „dem Eindringen der Lebensrealität“.

Wie viele CSU-Abgeordnete im Bundestag heute nun mit Ja und wie viele mit Nein stimmen, lässt sich vorab nicht zusammenrechnen. Es könnte ja auch, meint einer aus der CSU-Spitze, eine dritte Gruppe geben: Solche, die nur deshalb gegen die Ehe für alle votieren, weil sie sich über ein allzu überfallartiges Beschlussverfahren ärgern und wieder einmal über die Bundeskanzlerin – auch wenn sie insgeheim gar nichts gegen die Ehe für alle hätten.