In Niederstetten wird weiter um die Frage gerungen, wie zwei ehemaligen Ehrenbürgern der Stadt gedacht werden soll. Der eine war jüdischer Unternehmer, der andere Zeppelin-Kommandant mit Parteibuch der NSDAP.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Eine Geschichte unserer Zeitung bewegt den Gemeinderat von Niederstetten. Darin ging es um den Umgang der Stadt im Nordosten Baden-Württembergs mit zwei Ehrenbürgern.

 

Wilhelm Bernheim, ein jüdischer Unternehmer, und Albert Sammt, ein Zeppelin-Flieger mit NS-Parteibuch, waren einst zu Ehrenbürgern von Niederstetten ernannt, aber später doch ganz unterschiedlich behandelt worden. Während Bernheim von den Nazis die Ehrenbürgerschaft aberkannt und später nicht wieder zuerkannt wurde, verlor Sammt, den einige als Hitlerverehrer beschreiben, diesen Ehrentitel erst mit seinem Tod 1982. Bis heute gibt es das „Albert. Sammt-Zeppelin Museum“ in der Stadt.

Stellungnahme der Listensprecher

Im Gemeinderat von Niederstetten besteht unter den dort vertretenen Gruppierungen ein Konsens, dass diese Herangehensweise gut begründet und kein Anzeichen dafür sei, dass die Stadt ihre Vergangenheit nicht bewältigt habe.

In einer gemeinsamen Stellungnahme erklären jetzt die drei Listensprecher Ulrich Roth (AWV), Roland Landwehr (CDU) und Klaus Lahr (SPD), dass der Luftschiffkapitän Albert Sammt nach ihrer Ansicht kein überzeugter Nationalsozialist gewesen sei. „Er trat erst dreieinhalb Jahre vor Kriegsende in die Partei ein, nachdem er offensichtlich zuvor stark unter Druck gesetzt worden war. In der Stadt trat er nicht als Nationalsozialist in Erscheinung. Der Diffamierung unseres Ehrenbürgers treten wir entschieden entgegen.“ Zu Forderungen, dem jüdischen Unternehmer Bernheim die Ehrenbürgerschaft erneut zu verleihen, erklären die drei Gemeinderäte: „Da ein Ehrenbürgeramt mit dem Tod endet, würdigt Niederstetten Wilhelm Bernheim auf andere Art und Weise in der möglichen und angemessenen Form.“

„Ehrenbürgeramt endet mit dem Tod“

So sei beispielsweise im Jahr 2021 mit großem finanziellen Aufwand der sogenannte Tacheles-Pfad eingeweiht worden, mit dem des Stadtpfarrers Hermann Umfrid gedacht werde, der 1933 das schon damals an den Juden begangene Unrecht mutig angesprochen und dies später mit dem Leben bezahlt habe. „Auch Wilhelm Bernheim erfährt im Rahmen des Gedenkpfads eine dauerhafte Würdigung“, so die Räte.

Erinnerung an die jüdischen Mitbürger

Der Tacheles-Pfad ist eines von mehreren Formaten, mit denen Niederstetten seiner ehemaligen jüdischen Mitbürger gedenkt. „1986 wurde unser Judenfriedhof mit Mitteln der Stadt saniert. 1991 wurde eine große Gedenktafel an unserem Rathaus enthüllt, in regelmäßigen Abständen organisierten wir Besuche in Synagogen und jüdischen Museen. Es fand eine Vielzahl von Veranstaltungen zum Andenken an unsere jüdischen Mitbürger und das an ihnen begangene Unrecht statt“, betonen die Gemeinderäte. 2017 sei Niederstetten Teil des „Jüdischen Kulturweges“ geworden, vier Jahre später die Stadt der Bildungspartnerschaft „Jüdische Kultur erleben – Holocaust verstehen“ beigetreten.

Niederstettens Bürgermeisterin Heike Naber hat allerdings inzwischen angeregt, dass man Bernheim doch noch „postum ehren könnte und das unbeschreibliche Unrecht, das ihm widerfahren ist, thematisieren sollte“. Beim 100-jährigen Winzertanz-Jubiläum könnte dies zum Beispiel erfolgen, sagte die Bürgermeisterin den „Fränkischen Nachrichten“. Bernheim sei ideeller und finanzieller Förderer der Winzertänzer gewesen. Für Naber ist durchaus vorstellbar, dass die Stadt Wilhelm Bernheim postum rehabilitiert und die Ehrenbürgerschaft erneut verleiht.

Auskunft des Innenministeriums

Nach Auffassung des baden-württembergischen Innenministeriums ist allerdings eine Verleihung des Ehrenbürgerrechts nach geltender Rechtslage „nur an lebende Personen möglich“. Gleichwohl habe jede Gemeinde die Möglichkeit, „bereits verstorbene Personen auf andere Art und Weise als mit dem Ehrenbürgerrecht zu würdigen – etwa durch eine Ehrenmedaille oder Ähnliches“.

Ob sich der bestehende Gemeinderat noch mit der Causa beschäftigt, ist offen. Am 9. Juni findet die Kommunalwahl statt, dann wird ein neuer Rat bestimmt.