Elektroautos sind leide und werden von Fußgängern leicht überhört. Experten diskutieren über künstliche Motorengeräusche.

Stuttgart - Eine Million Elektroautos will die Bundesregierung bis Ende 2020 auf den Straßen haben und so den Klimaschutz vorantreiben. Neben ihrer guten Ökobilanz haben die Fahrzeuge den Vorteil, dass sie leise sind. Doch wie leise darf ein Elektroauto sein, ohne dadurch Fußgänger und Radfahrer zu gefährden, die es einfach überhören? Nicht nur Blinde orientieren sich in ihrer Umgebung akustisch. "Leise Autos werden vor allem beim Rückwärtsfahren, Ein- und Ausparken nicht immer wahrgenommen", sagt Andre Seeck von der Bundesanstalt für Straßenwesen.

 

Bei einem Vortrag vor der Bezirksvereinigung Württemberg der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft wies Seeck kürzlich auf eine bemerkenswerte Studie der US-amerikanischen Straßenbehörde NHTSA hin. Danach ist in Städten für Fußgänger das Unfallrisiko doppelt so hoch, wenn sich ihnen ein Hybridfahrzeug mit leisem Elektroantrieb nähert. In den USA fordern deshalb Blindenverbände, solche Autos hörbar zu machen, indem sie zusätzliche künstliche Geräusche abgeben.

Keine Unterschiede bei mehr als 30 Stundenkilometern

Damit freilich ginge vor allem in den Innenstädten ein großer Vorteil der Elektrofahrzeuge verloren. "Verkehrslärm mindert die Lebensqualität in den Städten enorm", sagt Seeck, "und leise Fahrzeuge könnten den Lärm senken." Der Fahrzeugingenieur und seine Kollegen suchen deshalb nach "intelligenten Lösungen, die beiden Seiten gerecht werden".

In einem Projekt untersuchten die Forscher zusammen mit Sehbehinderten die akustische Wahrnehmbarkeit von Elektroautos. Unterschiedliche Fahrzeuge mit Verbrennungs- oder Elektromotor fuhren an den Probanden vorbei, die angaben, wann sie die Autos hörten. Bei Geschwindigkeiten von mehr als 30 Stundenkilometern ergaben sich keine Unterschiede, weil hier das Reifengeräusch dominiert. Bei Tempo 20 wurden die Elektrofahrzeuge gleich gut wahrgenommen wie Autos mit einem leisen Verbrennungsmotor. Bei Geschwindigkeiten unter 20 wiederum ist der Anhalteweg ausreichend genug, damit ein Fahrer rechtzeitig stoppen kann, wenn ein Passant plötzlich die Fahrbahn betritt.

Ein permanentes künstliches Geräusch ist nicht zwingend notwendig

Das Fazit, das Seeck bei seinem Vortrag zog: ein permanentes künstliches Geräusch ist nicht zwingend notwendig; beim Rückwärtsfahren sowie beim Ein- und Ausparken ist ein Warnton aber sinnvoll. Ähnliche Studien laufen auch in den USA und in Japan. Auf welche Geräuschrichtlinien sich Regierungen, Verbände und Autohersteller letztlich einigen, ist noch offen.

Auch sonst sind noch manche Fragen ungeklärt, die bis zur Masseneinführung elektrischer Antriebe beantwortet werden sollten. Seeck zeigte dies am Beispiel unterschiedlicher Konzepte zum Bremsen und der dabei möglichen Energierückgewinnung in Elektrofahrzeugen. Fachleute bezeichnen dies als Rekuperation. Dabei wird Energie, die bei herkömmlichen Autos als Reibungswärme an der Bremse frei wird, von einem Generator in elektrische Energie umgewandelt und in die Batterie eingespeist.

Fast ohne herkömmliche Bremse fahren

Für die Bedienung der Bremsen gibt es zwei Konzepte. Beim ersten erreicht man das Abbremsen des Autos vor allem durch den Tritt aufs Bremspedal; dies entspricht der klassischen Bedienung der Pedale in einem Benzin- oder Dieselfahrzeug. Allerdings ist dazu eine komplexe Elektronik notwendig. Einfacher erscheint das zweite Bedienkonzept, bei dem das Gaspedal zum "Fahrpedal" wird, das beim Niedertreten das Auto beschleunigt und beim Loslassen die elektrische Generatorbremse auslöst. Erst ein Tritt aufs Bremspedal aktiviert zusätzlich die gewohnte Reibungsbremse.

Mit diesem Konzept ist es möglich, im Stadtverkehr fast ohne herkömmliche Bremse zu fahren - für den Fahrer eine bequeme Sache. Doch genau hier lauern auch Gefahren. "Wenn sich der Fahrer daran gewöhnt hat, dass das Loslassen des Gaspedals in der Regel zum Bremsen ausreicht, gewöhnt er sich damit auch das Bremsen ab und wird im Ernstfall unter Umständen die Reibungsbremse nicht oder zu spät einsetzen", gibt Seeck zu bedenken.