Bei der Emmy-Verleihung setzt sich Altbewährtes durch: Triumphiert haben die nostalgischen Serien „Mad Men“ und „Modern Family“.

Los Angeles - Es war ein hübscher kleiner Gag, den sich die Produzenten der diesjährigen Emmy-Preisverleihungsshow, des Jahrestreffens der amerikanischen TV-Industrie, für die Einstimmung auf den Abend ausgedacht hatten. In einem eingespielten Sketch trat die Gastgeberin Jane Lynch, eine selbstbewusste Frau des 21. Jahrhunderts und bekennende Lesbe, in das Büro der "Mad Men". Dort war die aus der Erfolgsserie bekannte Belegschaft der Sechziger-Jahre-Werbeagentur versammelt und konnte die Erscheinung nicht begreifen. Jon Hamm war von den kurzen Haaren und dem Hosenanzug irritiert und davon, dass Lynch keinen Kaffee kochen und kein Diktat aufnehmen wollte. Elizabeth Moss wollte wissen, ob man denn in der Zukunft immer noch mit seinen Vorgesetzten schlafen muss, wenn man seinen Job behalten will.

 

Der Sketch stellte wieder einmal die Frage, was uns eigentlich an der Welt der "Mad Men" so fasziniert, jener sexistischen, dysfunktionalen und verklemmten Arbeitswelt unserer Eltern. Bereits zum vierten Mal hintereinander wurde die Serie bei den diesjährigen Emmys zum besten Fernsehdrama gekürt, der Hype um das Flair des zugeknöpften New York unmittelbar vor der sexuellen Revolution und der Geburt der Hippiekultur reißt nicht ab.

Amerika kann nicht genug bekommen von der Nostalgie für die Zeit der hochmodernen Interieurs, des schamlosen Genusses von Alkohol und Nikotin und der Doppelmoral. So sehr trifft das Konzept anscheinend einen Nerv, dass sich im Herbst zwei neue Serien derselben Idee bedienen. In "Pan Am" tauchen wir in die Welt der Stewardessen aus dieser Zeit ein, im "Playboy Club" begleiten zwei von Hugh Hefners Bunnies durch die frühen Sechziger.

Bei ihrem Siegeszug in der Drama-Kategorie triumphierten die "Mad Men" allerdings nur knapp über eine Serie, die nostalgisch auf eine noch länger zurückliegende Epoche blickt. "Boardwalk Empire" spielt während der Prohibtion in Atlantic City und beschreibt des Milieu der Klein- und Großkriminellen, die um dieses "Reich" der illegalen und halbseidenen Geschäfte streiten. Martin Scorsese, der die Serie produzierte, bekam einen Emmy für die eine Episode, in der er Regie geführt hatte.

Im ernsten Fach schaut Amerika lieber in die Vergangenheit als in die Gegenwart. Die Gegenwart ist anscheinend nur als Komödie erträglich. Der große Gewinner in dieser Sparte war die Serie "Modern Family", die Geschichte einer kalifornischen Patchwork-Großfamilie, die liebenswert unbeholfen versucht, traditionelle Familienwerte in eine neue Zeit zu retten. Zweifellos ein Experiment über das die "Mad Men" nicht besonders laut lachen könnten.

Sonderlich viel Humor legte derweil auch der ausstrahlende Sender Fox nicht an den Tag, jedenfalls nicht, als es an das eigene Hemd ging. Alec Baldwin hatte in seinem aufgezeichneten Sketch für den Abend einen Witz über die Telefonabhör-Affäre des Murdoch-Konzerns gerissen. Fox, das Murdoch gehört, schmiss den Einspieler wieder aus dem Programm. Alec Baldwin fand das richtigerweise dumm.

Die Ängstlichkeit passte jedoch zu dem Abend. Sowohl mit den "Mad Men" als auch mit der "Modern Family" hatte die Fernsehakademie auf Bewährtes gesetzt. Beide Sendungen hatten schon in der Vergangenheit gewonnen. Gewagt war alleine der Auftritt von Charlie Sheen. Doch Sheen gab sich geläutert. Er wünschte der Serie "Two and Half Men", die ihn nach seinen Eskapaden gefeuert hatte, alles Gute. Und so war am Ende die US-Fernsehindustrie eine glückliche moderne Familie.