Viele kennen die Preiskurven von Verivox. Doch sie betreffen nur die Wenigsten. Ein tiefer Blick in die Inflationszahlen zeigt, wie teuer Gas, Strom und Öl wirklich geworden sind.
Energiepreise sind derzeit eines der wichtigsten Verbraucherthemen – kein Wunder, wenn man die Preiskurve zum Beispiel für Gas sieht, wie sie das Vergleichsportal Verivox berechnet (beispielsweise hier). Demnach zahlen Neukunden für Gas aktuell im Schnitt rund 17 Cent je Kilowattstunde, Anfang September waren es 40 Cent – ein Rekordhoch. Selbst der aktuell eher günstige Preis bedeutet verglichen mit 2021 ein Plus von mehr als 300 Prozent.
Die Kurve hat allerdings mit der Realität der meisten Verbraucher wenig zu tun. In der Energiekrise wechselt kaum mehr jemand seinen Anbieter. Wer bei seinem Versorger rausfliegt, landet zumeist in der weiterhin relativ günstigen Grundversorgung. Für alle anderen sind die vom Anbieter übermittelten Preissteigerungen der letzten Wochen und Monate relevant.
Unterschiedliche Kosten für Neu- und Bestandskunden
Wie teuer sind Strom und Gas also wirklich geworden? Die Frage stellen sich derzeit viele, zumal der Vergleich mit den eigenen Kosten interessieren dürfte. Die Verivox-Daten beziehen sich auf Neukundentarife und überschätzen derzeit die Preissteigerungen. Besser ist daher der Blick in die Inflationsstatistik, vom Statistischen Landesamt als Verbraucherpreisindex bezeichnet. Er zeigt detailliert für einzelne Warengruppen, wie sie sich verteuert haben – auch für Energie.
Im Schaubild wird der aktuelle Preis für Energie in Baden-Württemberg im Verhältnis zum Jahr 2015 abgebildet. Im November zahlten Verbraucher demnach durchschnittlich 70 Prozent mehr für Gas als noch 2015. Strom ist um die Hälfte teurer als vor sieben Jahren. Am stärksten hat dagegen der Heizölpreis zugelegt. Erst im November näherte sich der Preisanstieg von Heizöl und Gas an:
Vor allem beim Gaspreis stellt sich also die Frage: ist hier alles nur halb so schlimm? Das kommt darauf an, wie sich die Kurve weiter entwickelt. Preissteigerungen kommen bei Gaskunden erst mit Verzögerung an, während sie bei Ölkunden direkt durchschlagen – weil sie ja einmalig zum Tagespreis kaufen, Gaskunden dagegen sich in der Regel für einen längeren Zeitraum binden. Die langsam ansteigende Preiskurve für Gas 2022 zeigt auch, dass im vergangenen Jahr viele noch von ihren relativ günstigen Altverträgen profitiert haben.
Die Kurve des Statistischen Landesamts zeigt also die Energiepreisrealität wesentlich besser als jene zu den Neukundentarifen. Wie werden die Daten erhoben? Das Landesamt fragt die Preise bei Energieversorgungsunternehmen und Energienetzbetreibern an. Man nutze „sowohl auf aktuelle Angebote wie auch Bestandsverträge, die über eine gewisse Dauer entsprechend der Laufzeit beobachtet werden“, erklärt der Sprecher Thomas Lauer.
Details etwa zum Anteil der Neu- und Bestandsverträge oder Namen der Anbieter nennt er nicht – nur, dass es sich um eine „mehrfach geschichtete Stichprobe“ handle, bei der Abnahmemengen, unterschiedliche Kaufzeitpunkte und eine regionale Streuung berücksichtigt werden. Umlagen und Steuern sind ebenfalls im Preis enthalten. „Die Preisveränderungen sollen so in die Inflationsmessung einfließen, wie sie bei den Endverbrauchern ‚ankommen‘“, schreibt Lauer.
Der Gaspreis für Haushaltskunden setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: Beschaffung und Vertrieb, Netznutzung und staatliche Kosten wie Steuern. „Der Preis für die Beschaffung und den Vertrieb des Gases entsteht im Wettbewerb unter den Gasanbietern – er kann somit unterschiedlich hoch sein und wird auch als Wettbewerbsanteil bezeichnet“, schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf seiner Website. 2021 machte dieser Wettbewerbsanteil 44 Prozent des Gaspreises aus. Das geht aus dem Monitoringbericht 2021 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts hervor. 31 Prozent entfielen auf Steuern und 22 Prozent auf das Netzentgelt.
Gas wird an der Börse gehandelt
Der Preis, für den Energieversorgungsunternehmen das Gas einkaufen, bildet sich an der Börse und wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Verknappt sich das Angebot an Gas durch z.B. kriegsbedingte Lieferstopps oder steigt die Nachfrage in kälteren Monaten, können Händler mehr für das Gas verlangen.
Statistiken, die die Teuerung der Gaspreise abbilden, können für den eigenen Tarif unpräzise sein. Die Kosten, die Neu- und Bestandskunden für eine Kilowattstunde Gas tragen, weichen stark voneinander ab. Als Orientierungshilfe um den eigenen Tarif zu vergleichen, sind solche Statistiken aber sehr wohl geeignet.