Gegen Verfahren der direkten Demokratie wird gern eingewandt, Großprojekte wären dann nicht mehr plan- und baubar, eine verlässliche zeitliche Planung nicht mehr möglich. Doch viele Großprojekte wie der City-Tunnel Leipzig, die Elbphilharmonie Hamburg, der Berliner Großflughafen und Stuttgart 21 haben sich nicht wegen des Widerstands aus der Bevölkerung verzögert. Die Gründe lagen vielmehr in fehlender Information der Öffentlichkeit, planerischer Inkompetenz, geschönten Kostenberechnungen und im Streit zwischen Bauherren, Planern und Bauunternehmen. Umgekehrt gilt: wer sorgfältig und transparent plant und die Bürgerschaft einbezieht, reduziert die Risiken von Fehlplanung und Kostenexplosionen.Ein Mangel bei Volksabstimmungen ist, dass für das Ergebnis am Ende niemand persönlich verantwortlich ist. Bei einer Volksabstimmung kann das Volk, wenn die Entscheidung sich später als Fehlentscheidung erweist, sich nicht selbst abwählen. Gesetzbeschlüsse parlamentarischer Gremien können jederzeit geändert (novelliert) oder aufgehoben werden, wenn sich dazu parlamentarische Mehrheiten finden, also vor allem nach Wahlen, die zu veränderten Mehrheitsverhältnissen führen. Deshalb sollten Beschlüsse des Volkes durch eine Volksgesetzgebung nicht zeitlich unbegrenzt gelten, sondern nach einer angemessenen Frist durch eine erneute Volksabstimmung oder durch eine qualifizierte Mehrheit des Parlaments novelliert oder aufgehoben werden können.

 

Direkte Demokratie ist keine Garantie gegen Fehlentscheidungen. Die Volksentscheide für Steuersenkungen im US-Bundesstaat Kalifornien sind ein warnendes Beispiel. Das Volk kann sich genauso irren wie das von ihm gewählte Parlament. Populistische Demagogen gibt es bei Wahlen wie bei Abstimmungen, und die Macht der Interessen, vor allem der Wirtschaftsinteressen, wird bei Wahlen wie bei Volksabstimmungen Einfluss nehmen.

Dennoch: Bundespräsident Joachim Gauck sprach in seiner ersten Rede von der „Lernfähigkeit der repräsentativen Demokratie“ und der „Möglichkeit der Bürger, durch Mitgestaltung und Teilhabe Verantwortung zu leben“. Die Einführung von Elementen direkter Demokratie würde die Möglichkeiten der Bürger erweitern, an der Gestaltung unseres Landes über die Teilnahme an Wahlen hinaus mitzuwirken. Das könnte die vom Bundespräsidenten geforderte Kultur der Freiheit stärken.