Die Kulturkonzeption sorgt für Diskussionsstoff in der Politik. Manche fürchten, dass Esslingen in eine falsche Richtung driftet.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Die Diskussionen haben jetzt erst begonnen.“ Für Richard Kramartschik, den kulturpolitischen Sprecher der SPD-Gemeinderatsfraktion, ist die Vorstellung der Kulturkonzeption am Montag im Esslinger Gemeinderat erst der Auftakt eines langen Abstimmungsprozesses gewesen. Das kommende halbe Jahr bis zur Verabschiedung des Papiers müsse man nutzen, um sich anhand der Konzeption darüber klar zu werden, was die Esslinger Kultur eigentlich ausmache.

 

Kramartschik lobt dabei zwar „die fleißige Arbeit“ des Esslinger Kulturamtsleiters Benedikt Stegmayer, der nahezu im Alleingang das 150-Seiten-Papier erstellt habe. Es biete einen guten Überblick über den Ist-Zustand der Esslinger Kultur. Der SPD-Sprecher macht aber keinen Hehl daraus, dass er Zweifel daran hat, dass der Kulturamtsleiter die richtigen Schlüsse daraus zieht. Richard Kramartschik: „Der Versuch ist sicher ehrenwert. Den großen Wurf habe ich aber nicht gelesen.“

Die wahre Stärke liegt in den Nischen

Aus seiner Sicht setze Stegmayer viel zu sehr auf sogenannte Leuchtturmprojekte wie die Württembergische Landesbühne, die Villa Merkel oder das Podium-Festival, die Esslingen über die Stadtgrenzen hinaus bekannt machen sollen. Das halte er angesichts der Nähe Esslingens zu Stuttgart für den falschen Ansatz. Selbst mit Ludwigsburg solle sich Esslingen lieber nicht vergleichen: „Unsere Stärke hier ist doch, dass die Künstler der Stadt immer wieder Nischen gesucht und gefunden haben, in denen sie erfolgreich waren und sind.“ Ihm wäre es lieber, „wenn wir uns auf den Feldern, auf denen wir bisher gut waren, weiterentwickeln würden“.

Richtig findet Kramartschik, dass Stegmayer die kulturelle Teilhabe als eine vorrangige Aufgabe einstuft. Bildungsferne Gruppierungen, ausländische Mitbürger und Kinder für Kultur zu begeistern, sei ein wichtiges Anliegen auch der SPD. Allerdings behandele die Konzeption eine immer größer werdende Gruppe stiefmütterlich, nämlich die der Senioren. Die Frage, wie ältere Menschen in Zukunft verstärkt vom kulturellen Angebot profitieren könnten, müsse man in den kommenden Monaten beantworten.

Kramartschik hat eine Anhörung seiner Partei zur Kulturkonzeption für Anfang Juli angekündigt. Da kommt der SPD die Stadt zuvor. Noch bevor der Kulturausschuss des Gemeinderats zum ersten Mal über die Konzeption diskutiert, wird Benedikt Stegmayer am Dienstag, 30. Mai, um 19.30 Uhr die Eckpunkte der Konzeption mit interessierten Bürgern im Bürgersaal des Alten Rathauses diskutieren.

CDU sieht richtige Schwerpunkte

Deutlich positiver als die SPD beurteilt die CDU die Konzeption. Insgesamt habe Benedikt Stegmayer eine „überzeugende, realistische und gut analysierende Einschätzung vorgelegt, die richtigen Schwerpunkte setzt“, erklären übereinstimmend der CDU-Fraktionsvorsitzende Jörn Lingnau und der kulturpolitische Sprecher der CDU im Gemeinderat, Edward-Errol Jaffke. Allerdings müsse auch den Kulturtreibenden klar sein, betont Lingnau, dass die finanziellen Mittel der Stadt nicht unbegrenzt seien. Stegmayers Forderung, dass die anderen Kulturprojekte in der Stadt unter der Sanierung und der Erweiterung der Stadtbücherei nicht leiden dürften, habe aus seiner Sicht nur eine begrenzte Gültigkeit.

Auch der Vorschlag, eine vom Gemeinderat weitgehend unabhängige Jury einzusetzen, um Fördergelder an die Kultur zu verteilen, stößt bei Lingnau auf wenig Gegenliebe. Die Freien Wähler und die Grünen wollen ebenso wie das Netzwerk Kultur, der Zusammenschluss vieler Kulturinstitutionen in der Stadt, das Papier zunächst intensiv durcharbeiten, bevor sie sich inhaltlich dazu äußern wollen. Die erste öffentliche Gelegenheit dazu gibt es ja bereits am 30. Mai.