Die Bewertung der Gen-Schere für den EuGH erfolgt weder durch einen Biologen noch durch einen Mediziner. Sie wird von einem Juristen geliefert: von Generalanwalt Michal Bobek. Der 40-jährige Tscheche ist Spezialist für Rechtstheorie, Europarecht und Rechtsvergleichung. Es sei üblich, Rechtsvorschriften dynamisch auszulegen und sie auch auf technische Entwicklungen anzuwenden, die zum Zeitpunkt der Formulierung des Gesetzes noch nicht bekannt gewesen seien, argumentiert Bobek. Das sei in allen Bereichen des Rechts immer wieder nötig.

 

Seine Analyse konzentriert sich deshalb auf die Frage, welchen Sinn und Zweck die Vorschrift hat. „Ich habe keinen Zweifel, dass der Gesetzgeber im Jahr 2001 das formuliert hat, was er meinte“, schreibt Bobek. Die Definition des gentechnisch veränderten Organismus sei sehr konkret und deshalb auch für die neuen wissenschaftlichen Techniken anwendbar. Ein GVO ist ein „Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist“, heißt es im Gesetzestext. Damit stellt sich der Generalanwalt gegen die Argumentation der Öko-Bewegung, die den Herstellungsprozess in den Mittelpunkt rücken wollte. Aus ihrer Sicht kann ein natürliches Produkt nur durch natürliche Züchtung ohne Einsatz von Gentechnik entstehen.

Gene einzeln einschalten oder blockieren

Mit Crispr/Cas9 beginnt die sogenannte zweite Generation der grünen Gentechnik. Sie unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von der vorhergehenden: Bisher haben Wissenschaftler bei der Veränderung der DNA einer Pflanze immer artfremde Gene in das Erbgut eingebaut. So enthält etwa der bekannte Monsanto-Mais zusätzlich ein Gen aus einem Bakterium, dessen Gift Schädlinge wie den Maiszünsler abtötet. Das fremde Gen arbeitet in der Maispflanze wie im Bakterium und produziert auch dort die giftige Substanz. Gentechnikgegner haben diese Vermischung zweier Organismen immer mit Argwohn betrachtet. Sie befürchten unberechenbare Folgen für die Natur und gesundheitliche Risiken beim Verzehr der Lebensmittel.

Crispr/Cas9 eröffnet einen anderen Weg. Die Forscher können mit ihrem neuen Werkzeug bestehende Gene in einem Organismus einzeln einschalten oder blockieren und dadurch die Eigenschaften nach ihren Wünschen verändern. Außerdem lassen sich mit Crispr/Cas9 sehr schnell Gene von Wildformen in unsere Ackerpflanzen einbauen. Viele alte Sorten besitzen noch Eigenschaften, die im Laufe der Züchtung verloren gegangen sind – beispielsweise eine bessere Resistenz gegen Trockenheit oder Schädlinge. Die Forscher wissen, welche Gene in der Wildform für diese spezielle Widerstandskraft verantwortlich sind. Das Ergebnis der Zucht enthält dann zwar zusätzliche DNA, aber keine artfremde. Aus der Sicht der Bio-Technologen funktioniert diese Form der Gen-technik nicht anders als die Natur. Auch bei der klassischen Züchtung tauschen die Pflanzen innerhalb einer Art Gene aus oder verändern deren Aktivität.