In diesen Wahlkampf gibt es aus den Reihen der Union keine Hinweise auf eine angeblich übergriffige EU-Bürokratie – stattdessen viel Hoffnung auf eine neue europäische Stärke.

Berliner Büro: Norbert Wallet (nwa)

Die Union schaut mit großem Optimismus auf die anstehenden Europawahlen. Das war längst nicht immer so. Noch im Herbst hatte es Bedenken in der Partei gegeben, die Bürger könnten den Urnengang zu einer „Denkzettel-Wahl“ machen. Proteststimmen, so die Befürchtung, könnten der AfD zu einem enormen Höhenflug verhelfen. Das wäre ein verheerender Auftakt in ein politisches Jahr, in dem drei Landtagswahlen im Osten der Republik im Kalender stehen. Inzwischen hat die AfD viel dazu beigetragen, selbst für Protestwähler wesentlich unattraktiver zu erscheinen. Alles deutet darauf hin, dass sich das auch bei den Europawahlen niederschlagen wird.

 

Aber es sind nicht nur die allgemeinen politischen Rahmenbedingungen, die für ein gutes Unionswahlergebnis sprechen. Es gibt auch inhaltliche Aspekte. Die Union hat sich seit Adenauers Zeiten immer als Europa-Partei verstanden und Helmut Kohl hatte die europäische Verankerung der deutschen Politik als Grundbedingung der deutschen Einheit verstanden. Dennoch hatte es bei vergangenen EU-Wahlen auch kritische Töne gegeben. Da beherrschten die Wahlkampf-Reden von CDU-Politikern mitunter auch mal Forderungen nach einer stärkeren Rückverlagerung von EU-Kompetenzen auf die Nationalstaaten. Es waren dabei auch Warnungen zu hören vor der angeblich übergriffigen EU-Bürokratie.

Möglicher Trump-Wahlsieg lässt Hoffnungen auf Europa wachsen

Das ist diesmal bislang anders. Der CDU-Parteitag Anfang Mai brachte ein eindeutiges Bekenntnis zu Europa. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung nennt im Gespräch mit unserer Zeitung drei inhaltliche und zwei personelle Gründe für die neue Europa-Begeisterung. In der Sache verweist er darauf, „dass der Krieg in Europa, die Drohung konfliktreicherer atlantischer Beziehungen nach einem möglichen Wahlsieg Donald Trumps und die Erkenntnis, dass die anstehenden ökonomischen Transformationsprozesse nur gemeinsam gelingen können“ die Rolle der EU deutlicher als je vor Augen führen. Jung weist aber auch darauf hin, dass Friedrich Merz selbst Europa-Parlamentarier war. „Mit ihm als Parteichef wird es keinen Europa-kritischen Wahlkampf geben.“ Und schließlich sei mit Ursula von der Leyen die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP) „eine von uns“.

Verbrenner-Aus passt der Union überhaupt nicht

Wobei längst nicht alles in ihrer Amtszeit als Kommissionspräsidentin den Christdemokraten gepasst hat. Dass die EU das Aus der Verbrenner-Motoren ab dem Jahr 2035 beschlossen hat, fanden viele in der Union gar nicht gut. Im CDU-Präsidium musste sie deshalb ausdrücklich darlegen, dass die Verbrenner über 2025 dann noch eine Chance hätten, wenn sie bis dahin CO2-neutral funktionieren. Mit diesem Bekenntnis zur „Technologie-Offenheit“ mussten sich die Christdemokraten zufrieden geben.

Das hat die Partei nicht davon abgehalten, eine Kampagne gegen das Verbrenner-Aus zum Thema in der heißen Phase des Wahlkampfs zu machen. Ein Schuss, der zunächst kräftig nach hinten losgegangen ist, da eine Online-Umfrage, die die kritische Unionsposition stärken sollte, eine riesige Mehrheit für das Aus der umweltfeindlichen Verbrenner-Technik brachte. Allerdings ging es da wohl nicht mit rechten Dingen zu. Offenbar nutzten Trolle die zu geringen Sicherheitsmaßnahmen bei der Umfrage aus, um automatisierte Voten abzugeben.

„Raus dem Modus gegenseitiger Belehrungen“

Andreas Jung sieht vor allem Deutschland und Frankreich in der Verantwortung, neue Begeisterung für Europa zu entfachen. Nicht durch Worte, sondern durch eigene Initiativen. Er benennt konkret zwei Felder: Die Energie- und die Sicherheitspolitik. Jung ist Co-Vorsitzender der AG Energiesouveränität in der deutsch-französischen parlamentarischen Versammlung. Er hat eine Beschlussvorlage mit erarbeitet, die unter anderem Wege zu einer gemeinsamen Wasserstoff-Strategie und einer gemeinsamen Nutzung der Geothermie in der deutsch-französischen Grenzregion aufzeigt.

Und in der Verteidigungspolitik möchte Jung die deutsch-französische Brigade „zum Nukleus einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ machen. Den nötigen neuen Geist beschreibt Jung so: „Raus aus dem Modus gegenseitiger Belehrungen, Streit beenden und Synergien nutzen!“