Vor einem Jahr ist Jürgen Lämmle vom Göppinger Rathaus ins Stuttgarter Sozialministerium gewechselt. Ein Gespräch über Büropflanzen, freie Donnerstagabende und die Unterschiede zwischen Ministerin Altpeter und Oberbürgermeister Till.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)
Göppingen Knapp 13 Jahre lang ist Jürgen Lämmle Göppingens Erster Beigeordneter gewesen. Vor einem Jahr stieg der beliebte Sozialdemokrat zum obersten Beamten im Sozialministerium auf. In seinem spartanisch eingerichteten Büro hat er sich längst eingelebt. Und er konnte sich sogar schon einen Wunsch aus Bürgermeisterzeiten erfüllen.
Herr Lämmle, ich mache mir ernste Sorgen um Ihren Donnerstagabend. Da müssen Sie schreckliche Langeweile haben.
Sie meinen, weil ich nicht mehr in den Gemeinderat muss.

Der wird Ihnen doch fehlen.
Das kann man so nicht sagen. Manchmal genieße ich es auch, dass diese langen Sitzungen am Donnerstagabend nicht mehr sind, wobei ich unter der Woche sehr gut beschäftigt bin und viele Termine habe. Aber diese Konzentration auf den Donnerstag gibt es in der Tat nicht mehr.

Der Göppinger Gemeinderat war doch bestimmt eine gute Schule. Im Landtag dürften die Sitten kaum rauer sein.
Man kann den Landtag und den Gemeinderat in Göppingen nicht miteinander vergleichen. Im Gemeinderat ist die Spontaneität viel höher, und die Debatten sind von vorneherein nicht so festgelegt. Da gibt es keine so engen Fraktionslinien wie im Landtag, innerhalb derer die Fraktionen in der Regel als Blöcke abstimmen.

Dann versuche ich es gleich mit noch einem unpassenden Vergleich: Als Ministerialdirektor im Sozialministerium sind Sie so etwas wie der Sozialbürgermeister fürs ganze Land.
Ihr Vergleich würde vielleicht eher auf die Sozialministerin Katrin Altpeter zutreffen. Ich bin nur der Amtschef und nicht in der Außenwirkung Minister.

Trotzdem dürfen Sie viel reisen.
Nur wenn die Ministerin selbst verhindert ist oder wenn Koordinationsbesprechungen der Amtschefs aus allen Bundesländern anstehen. Aber am liebsten bin ich hier im Ministerium. Da ist mein Platz.

Hm, Ihr Büro in Göppingen war – sagen wir mal – repräsentativer.
Ja, es ist etwas spartanisch hier.

Verbessert haben Sie sich nicht.
Das Land muss sparen.

Haben Sie wenigstens etwas aus Göppingen mitnehmen können?
Hier hängt ein Gemälde von Ulrich Klieber, einem gebürtigen Göppinger, dessen Eltern in Jebenhausen wohnen. Witzigerweise hatte ich in meinem Büro in Göppingen auch einen Klieber hängen. Den hier habe ich im Kunstdepot des Landes gefunden und aus alter Verbundenheit aufgehängt. Und gegenüber hängt ein Bild von Friedemann Hahn, dessen Werke auch mal auf Schloss Filseck ausgestellt waren.

Und die Büropflanze?
Die habe ich von meinem Vorgänger übernommen, so wie ich meine auch im Rathaus zurückgelassen habe.

Nach dem Machtwechsel vor mehr als einem Jahr hieß es, der schwarze Behördenapparat müsste erst einmal auf Linie getrimmt werden. Ist das Ihre Hauptarbeit?
Ich habe hier tatsächlich eine Organisationsreform vorgenommen, die aber nichts mit Personen zu tun hatte. Sie hing einfach damit zusammen, dass die fachlichen und politischen Schwerpunkte im Laufe der Jahre andere geworden sind. Das Sozialministerium ist das zentrale Gesellschaftsministerium, in dem, wie wir immer sagen, die Menschen von der Wiege bis zur Bahre betreut werden. Da gab es neue Anforderungen, und die haben wir im Rahmen der Reorganisation berücksichtigt.

Der Apparat läuft?
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr motiviert, und der Apparat läuft gut.

Für die SPD läuft es ja in der Regierung nicht so gut.
Die Regierung läuft aus meiner Sicht nicht schlecht. Es sind zwei gleich starke Partner. Da gibt es natürlich auch immer wieder mal Auseinandersetzungen auf Augenhöhe. Auf der anderen Seite hat die Regierung nach meiner Ansicht nur dann eine Chance, wenn beide Koalitionspartner auch Erfolge haben. Da ist einiges noch optimierbar. Man muss sich auch gegenseitig den Erfolg gönnen.

Sie haben ja den direkten Vergleich. Bei der CDU-SPD-Koalition zwischen 1992 und 1996 unter Erwin Teufel waren Sie Chef der Zentralstelle im Innenministerium. Was ist jetzt anders?
Damals hat die CDU sowohl den Ministerpräsidenten als auch den Finanzminister in der Kontinuität gestellt. Damit war die SPD, obwohl es eine Große Koalition war, der kleinere Koalitionspartner. Denn die beiden Schlüsselressorts waren in der Hand der CDU. Das hat gewisse Schwierigkeiten mit sich gebracht.

Als Sozialbürgermeister haben Sie sicher oft gedacht. Mensch, auf diesem oder jenem Feld sollte die Landespolitik mal etwas machen. Konnten Sie sich solche Wünsche nun nachträglich erfüllen?
Genau. Ich habe jahrelang kritisiert, dass das Land aus der Schulsozialarbeit ausgestiegen war und die Kommunen bei der Finanzierung allein gelassen hat. Wir sind jetzt wieder eingestiegen und zahlen ein Drittel der Schulsozialarbeiterstellen an öffentlichen Schulen. Im Haushalt 2012 wurden dafür 15 Millionen Euro bereitgestellt. Das ist ein praktischer Erfolg.

Wer ist eigentlich der angenehmere Chef? Frau Altpeter oder Herr Till?
Ich habe jetzt zum zweiten Mal in meinem Arbeitsleben eine Chefin, und ich muss sagen, ich komme mit Frauen als Vorgesetzte hervorragend zurecht. Ich glaube, Frauen führen besser, indem sie eher bereit sind, Kompetenzen anderer zu nutzen. Frau Altpeter und ich haben eine ganz gute Arbeitsteilung. Wir achten und schätzen uns.

Und Herr Till?
In der Kommunalpolitik ist man ein bisschen enger aufeinander, und die Aufgabengebiete sind nicht so abgegrenzt. Ich war unter anderem zuständig für die Schulen, die Kindertagesstätten, die Kultur. Wenn ich gestalten wollte, musste ich Geld ausgeben. Der Oberbürgermeister ist gleichzeitig Finanzdezernent. Er muss gucken, dass das Geld zusammenbleibt. Da gibt es ein natürliches Spannungsverhältnis, wobei ich den Eindruck habe, dass der OB zwischenzeitlich ganz froh ist, dass ich im Bereich der Kinderbetreuung doch so viel gemacht habe.

Vaterfreuden verändern bisweilen die Weltsicht . . .
Eine Wahl manchmal auch.

Das zerrüttete Verhältnis zwischen Herrn Till und Ihrem einstigen Kollegen, dem Baubürgermeister Olav Brinker, wird das aber auch nicht verbessern.
Ich war mit dem OB nicht immer einer Meinung und er nicht immer einer Meinung mit mir. Aber wir haben diese Auseinandersetzung fachlich und hinter verschlossenen Türen ausgetragen, weil es um die Sache ging. Die Auseinandersetzung zwischen dem OB und dem Baubürgermeister haben, so glaube ich, nicht die gleichen Ursachen. Ich will sie aber aus der Distanz nicht bewerten.

Am 14. Oktober ist Göppinger OB-Wahl. Sie wohnen ja nach wie vor hier. Auch wenn das Bewerberfeld bis jetzt recht übersichtlich ist: Wissen Sie schon, wen Sie wählen?
Ich kann Ihnen auf jeden Fall zusagen, dass ich zur Wahl gehen werde – aber: die Wahl ist geheim!