Der über den umstrittenen EnBW-Deal gestürzte Investmentbanker Dirk Notheis war in Berlin bestens vernetzt: Durch eine Anfrage werden zahlreiche Kontakte zu Regierungsvertretern bekannt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der frühere Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley, Dirk Notheis (CDU), hat vielfältige Beziehungen zur schwarz-gelben Bundesregierung gepflegt. Alleine in dieser Legislaturperiode hielt er zahlreiche Kontakte zu Staatssekretären und Ministern bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ob es um die Eurokrise ging, um die Finanzmärkte oder um Unternehmen mit Bundesbeteiligung – Notheis war in den Berliner Chefetagen ein oft konsultierter Ratgeber.

 

Drei Mails an die Kanzlerin

Angesichts der fragwürdigen Rolle des Investmentbankers beim EnBW-Deal seines Freundes Stefan Mappus (CDU), die ihn letztlich den Job kostete, hatte die Karlsruher Grünen-Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl sich per Kleiner Anfrage nach Notheis’ Kontakten zur Bundesregierung erkundigt. Das federführende Finanzministerium startete daraufhin eine Umfrage bei allen Ressorts, die mehrere Wochen in Anspruch nahm. Eine „lückenlose Aufstellung“ aller Kontakte, Veranstaltungen und Begegnungen sei gleichwohl nicht möglich, schrieb der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk in seiner Antwort. „Mögliche private Kontakte“ seien zudem nicht aufgeführt, da sie nicht in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung fielen. Auf acht Seiten listet das Ressort von Wolfgang Schäuble (CDU) die Kontakte zwischen Regierungsvertretern und Notheis oder Morgan Stanley auf. Dreimal wandte sich der Banker danach in den Jahren 2011 und 2011 per Mail über das Vorzimmer direkt an Kanzlerin Merkel. Mal schrieb er ihr zum europäischen Bankensektor und einem Gespräch mit chinesischen Wirtschaftsvertretern, mal zur Koordinierung der Offshore-Windenergie, mal zur Aufnahme einer Euro-Entscheidung an der Wall Street. Alle drei Schreiben seien an die jeweils zuständige Abteilung abgegeben worden, die sich in einem Fall mit Notheis in Verbindung gesetzt habe. Über etwaige Reaktionen der Kanzlerin wird ansonsten nichts mitgeteilt, was die Fragestellerin Kotting-Uhl kritisch kommentierte: Wenn der Banker „als einer der engsten Berater Merkels in der Wirtschaftskrise genannt wird, dann wundert es mich, dass als Kontakt mit ihr nur drei an sie gerichtete E-Mails aufgeführt werden“.

Gefragt bei Ministern und Staatssekretären

Weitere Kontakte ins Kanzleramt bestanden der Antwort zufolge zu Staatsminister Eckart von Klaeden. Dieser habe im Februar 2012 ein Gespräch mit Notheis und US-Investmentfonds-Managern geführt und mit ihm „zu Fragen der Wirtschafts- und Finanzkrise telefoniert“. Ein weiteres Treffen mit US-Bankern im Juni 2012 wurde ebenfalls von dem Bankchef angeregt. Auf Einladung von Notheis sprach von Klaeden zudem im Oktober 2011 bei einer Konferenz der Morgan Stanley Bank in Berlin.

Ausgewiesen sind ferner Kontakte zu den (ehemaligen) Finanzstaatssekretären Hans Bernhard Beus (Thema: Beteiligungswesen), Werner Gatzer (wirtschaftliche Lage), Jörg Asmussen (Eurokrise) und Steffen Kampeter (Finanzkrise). Erst nachträglich wurde über eine Verbindung zu Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) berichtet: Notheis habe ihm im Sommer 2011 zwei Morgan-Stanley-Studien zur Kapitalisierung europäischer Banken zugesandt, die er dem Ressortchef zuvor telefonisch avisiert hatte.

Keine direkten Aufträge vom Bund

Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schätzte offenbar seine Expertise: Im Herbst 2011 nahm er an dem von ihrem Ressort ausgerichteten Dialogforum „Zukunft soziale Marktwirtschaft“ teil. Auch bei einem Treffen der „Initiative Finanzstandort Deutschland“ im Dezember 2010 war Notheis als Teilnehmer aufgeführt, ebenso bei einer Sitzung zum Luftfahrtkonzern EADS im Kanzleramt.

Direkte Aufträge der Bundesregierung an Morgan Stanley gab es laut der Antwort in der laufenden Legislatur keine. Von der Deutschen Flugsicherung habe die Bank einen Beratungsauftrag für den angestrebten Einstieg bei der britischen Luftsicherung erhalten, von der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung einen Auftrag für eine bewertende Stellungnahme. Das Volumen lag im fünfstelligen bis maximal siebenstelligen Bereich.

Grüne fürchtet weitergehende Verquickung

Die Grüne Kotting-Uhl nannte die Antwort „nicht zufriedenstellend; sie eröffnet viele neue Fragen“. Es sei zu befürchten, dass der Fall Mappus-Notheis „nur die Spitze des Eisbergs der Verquickung zwischen Investmentbanken und Politik ist“.

Für den Wahlsieg von Merkel im Herbst 2005 hatte sich Notheis – damals noch CDU-Landesvorständler – übrigens auch persönlich engagiert: Auf Wunsch des damaligen Generalsekretärs Volker Kauder half er in der Parteizentrale ehrenamtlich beim Spendensammeln und ließ seinen Job bei Morgan Stanley dafür mehrere Wochen ohne Bezahlung ruhen. Dies wurde später durch Recherchen der Zeitschrift „Stern“ bekannt. Der heutige Unionsfraktionschef Kauder galt als einer der engsten Vertrauten und wichtigsten Förderer des Notheis-Freundes Stefan Mappus.