In der Mongolei treibt der Dzud sein Unwesen. Auf den gefrorenen und schneebedeckten Böden des zentalasiatischen Landes finden die Herden kaum noch Nahrung. Mehr als 4,7 Millionen Tiere sind bereits verendet. Noch vor einem Monat war die Zahl der ums Leben gekommenen Tiere mit rund 1,5 Millionen angegeben worden. 

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Extreme Kälte und Schneefälle haben den Hirten in der Mongolei schwere wirtschaftliche Verluste zugefügt. Mehr als 4,7 Millionen Tiere sind in diesem Winter bereits während der «Dzud» verendet. Das teilte die staatliche Notstandskommission des asiatischen Landes zwischen Russland und China am Dienstag (19. Mäz) mit. Noch vor gut einem Monat war die Zahl der ums Leben gekommenen Tiere mit rund 1,5 Millionen angegeben worden. 

 

Der Grund für das Massensterben ist der Dzud – auch Dsud oder Zud genannt. Übersetzt heißt es soviel wie „fehlende Weide-Möglichkeit“.

Schnee- und Eiskatastrophen

Dzud nennen die Mongolen die Schnee- und Eiskatastrophen, die das Land in den Wintermonaten seit vielen Jahrhunderten immer wieder heimsuchen. Das Wetterphänomen sorgt dafür, dass das Vieh kein Futter mehr findet, weil die Böden gefroren oder die Weiden von Schneemassen bedeckt sind.

Oft sind die Verluste besonders hoch, wenn ein eisig-kalter und schneereicher Extremwinter auf einen auffällig warmen und trockenen Sommer folgt, in dem sich die Tiere kein ausreichendes Fettpolster für die kalte Jahreszeit anfressen konnten.

Dzud nennen Mongolen die Schnee- und Eiskatastrophen, die das Land in den Wintermonaten immer wieder heimsuchen. Foto: Davaanyam Delgerjargal/dpa
Das Wetterphänomen sorgt dafür, dass das Vieh kein Futter mehr findet, weil die Böden gefroren oder die Weiden von Schneemassen bedeckt sind. Foto: Davaanyam Delgerjargal/dpa

Vereinte Nationen warnen vor Notlage

Auch die Vereinten Nationen haben bereits vor der Situation gewarnt. Viehzucht sei ein integraler Bestandteil der mongolischen Wirtschaft, Kultur und Lebensweise, so ein vor zwei Wochen veröffentlichter UN-Bericht.

Nun kämpfen die Hirten mit Futtermangel und explodierenden Futterpreisen. Schätzungen zufolge gibt es in der Mongolei rund 64 Millionen Herdentiere. Für die Mongolei ist es bereits der zweite Dzud-Winter in Folge.

Papst betet für Mongolen

Papst Franziskus drückte im Anschluss an sein sonntägliches Angelus-Gebet vor Pilgern und Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom seine Nähe zu den von der Kältewelle betroffenen Menschen in der Mongolei aus.

„Auch dieses extreme Phänomen ist ein Zeichen des Klimawandels und seiner Auswirkungen“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche. Die „Klimakrise“ sei ein weltweites soziales Problem und wirke sich vor allem auf die schwächsten aus. Franziskus war erst im September vergangenen Jahres zu Besuch in der Mongolei, wo nur sehr wenige Katholiken leben.

Immer mehr Extremwinter 

Ein Mongole reitet bei winterlichem Schneetreiben durch die Steppe. Foto: Imago/Zuma Press
Friedhof der Weidetiere: Nach der Schneeschmelze im Frühling zeigt sich das ganze Ausmaße der Folgen des Dzud. Foto: Imago/Zuma Press

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach kam es in der Vergangenheit alle 10 bis 20 Jahre zu einem Dzud, inzwischen aber alle 5 oder 6 Jahre. Den letzten Dzud gab es im Winter 2009/2010. Ein Problem ist dieses Wetterphänomen vor allem deshalb, weil fast die Hälfte der etwa 3,4 Millionen Mongolen von der Viehwirtschaft leben.

Extremwinter sind in der Mongolei besonders verheerend, weil ein Drittel der Einwohner Nomaden sind und mit ihren Herden durch das Land ziehen. 40 Prozent der Mongolei sind Halbwüste, 35 Prozent durch Baum- und 20 Prozent durch Sandsteppe geprägt. Die restlichen fünf Prozent sind Sandwüste.

Drei Arten von Dzud

Die Mongolen kennen drei Arten von Dzud:

  • Weißer Dzud: Schneereicher Winter, bei dem Schafe und Ziegen nicht mehr durch den Schnee an Futter kommen, während Pferde und Yaks diesen oft noch wegscharren können.
  • Schwarzer Dzud: Schneearmer Winter nach einem trockenen Sommer, in dem Tiere in der Kälte verdursten.
  • Eisiger Dzud: Die Erde wird durch Eis versiegelt. Das Vieh verhungert innerhalb weniger Tagen, weil es kein Futter mehr findet.

Der Dzud wird schon seit Jahrhunderte in der Mongolei überliefert:

  • 2015/2016: Rund 1,5 Weidetiere sterben während des Dzud.
  • 1999-2003: In drei aufeinanderfolgenden Winter verenden bis zu elf Millionen Tiere.
  • 1943/1944: In dem Extremwinter während des Zweiten Weltkriegs sterben rund sieben Millionen Weidetiere.

Klimawandel führt zu mehr Dzud

Bei einem Dzud fallen die Durchschnittstemperaturen nachts auf bis zu minus 39 Grad. Sogar Tiefstwerte bis minus 55 Grad sind möglich. Bis zu 90 Prozent des knapp 1,6 Millionen Quadratmeter großen Landes (zum Vergleich: Deutschland ist knapp 358 000 Quadratmeter groß) sind dann von einer bis zu 30 Zentimeter hohen Schneedecke bedeckt.

Klimaforscher gehen davon aus, dass der Dzud in Folge des Klimawandels in den nächsten Jahren alle zwei Jahre in der Mongolei auftreten könnte.