Warum wollte Ex-Minister Ulrich Goll (FDP) unbedingt den Namen eines Anwalts wissen, der Stefan Mappus angezeigt hatte? Das will nun der EnBW-Ausschuss klären.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Recherchen des früheren Justizministers Ulrich Goll (FDP) nach dem Namen eines Rechtsanwaltes, der Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) wegen des EnBW-Deals angezeigt hatte, haben ein Nachspiel im Landtag. Grüne und SPD wollen den von der StZ aufgedeckten Vorgang bei der nächsten Sitzung des EnBW-Untersuchungsausschusses am kommenden Freitag thematisieren. Man werde Goll als Zeugen nicht nur zu seiner Rolle bei dem Aktiengeschäft, sondern auch nach dem Umgang mit Anzeigeerstattern befragen, kündigten Vertreter der Regierungsfraktionen an.

 

Goll hatte über sein Ministerium bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart den Namen eines Wirtschaftsanwaltes erfragen lassen, der eine strafrechtliche Prüfung des EnBW-Deals angeregt hatte. Seine Begründung: Er habe einschätzen wollen, wie hoch das Risiko etwaiger Ermittlungen für Mappus sei. Den Namen habe er an niemanden weitergegeben. Gleichwohl war der Wirtschaftsanwalt später von zwei Kollegen auf sein Schreiben angesprochen worden.

Kommen Staatsanwälte als Zeugen?

Für den Geschäftsführer der Landtagsgrünen, Ulrich Sckerl, gilt es nun aufzuklären, „ob in irgendeiner Weise Einfluss auf Anzeigeerstatter genommen wurde“. Er will auch wissen, ob Verfahren im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl eingestellt wurden. Dazu werde man möglicherweise die Staatsanwälte als Zeugen laden. Die Staatsanwaltschaft hatte Anfang März 2010 – drei Wochen vor der Wahl – entschieden, keine Ermittlungen gegen Mappus und andere Beteiligte aufzunehmen; dafür sieht sie bis heute keinen Anlass. Sckerl will zudem „die Rolle von Ministerpräsident a. D. Mappus beleuchten“, der zu den Vorgängen um die Anzeigenerstatter schweigt.

Auch der SPD-Geschäftsführer Andreas Stoch zeigte sich irritiert über Golls Recherchen. Ein Justizminister müsse „alles unterlassen, was auch nur den Anschein von Einflussnahme erweckt“. Die Bürger dürften „nicht das Vertrauen verlieren, dass bei der Justiz fürsorglich mit ihren Daten umgegangen wird“, sagte Stoch. Die Regierungsfraktionen wollen zunächst davon absehen, den Wirtschaftsanwalt als Zeugen zu laden. Sie könnten ihn nach der Identität der – namentlich von ihm nicht benannten – Anwaltskollegen fragen, die ihn wegen seines Schreibens an die Staatsanwaltschaft kontaktiert hatten. Nach StZ-Informationen soll einer der beiden enge Verbindungen zur früheren CDU-Landesregierung und zu Mappus haben. Er soll sogar noch in einer offiziellen Funktion sein, in die er durch Mappus und die CDU kam.

Über Weitergabe des Namens gesprochen

Golls Recherche vom Januar 2010 ist in einem nachträglich gefertigten Vermerk des Justizministeriums dokumentiert, der dem Untersuchungsausschuss vorliegt – ebenso wie die Strafanzeigen gegen Mappus. Daraus geht hervor, dass der zuständige Vizeabteilungsleiter mit dem Minister ausdrücklich über eine mögliche Weitergabe des Namens gesprochen hat. Ihm sei nicht bekannt, dass der Anzeigeerstatter die Öffentlichkeit unterrichtet habe oder die Anzeige anderweitig publik geworden sei. „Von einer Weitergabe der Information müsse deshalb aus fachlicher Sicht abgeraten werden“, referiert der Ministerialrat seine Auskunft an Goll. Von einer Einschätzung des rechtlichen Risikos, die den Minister interessiert haben will, ist in dem Vermerk dagegen nicht die Rede.

Aufregung löste damals auch die Tatsache aus, dass die Staatsanwaltschaft von einem „Ermittlungsverfahren“ gegen Mappus geschrieben hatte; tatsächlich handelte es sich erst um Vorermittlungen. Die Rückfrage des Ministeriums ergab, dass der Grund in einem Fehler beim Ausfüllen eines Formulars liege. Ein förmliches Verfahren gegen Mappus wenige Wochen vor der Landtagswahl wäre ein Politikum ersten Ranges gewesen.

Staatsanwaltschaft will nicht tätig werden

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sieht derweil keinen Anlass, wegen einer möglichen Weitergabe des Anwaltsnamens tätig zu werden; dabei könnte es theoretisch um eine Verletzung des Dienstgeheimnisses gehen. Eine Behördensprecherin sagte, die Anrufe bei dem Wirtschaftsanwalt könnten schon wegen der zeitlichen Abfolge nichts mit Golls Nachfrage zu tun haben. Sie seien nach dessen Angaben am gleichen Tag erfolgt, als die StZ erstmals über die Anzeigen gegen Mappus berichtete – was die Nachfrage des Justizministers auslöste.

Dabei erliegt die Staatsanwaltschaft vermutlich einem Missverständnis. Der Wirtschaftsanwalt hatte lediglich gesagt, er sei „am selben Tag“ von den beiden Kollegen angerufen worden – möglicherweise im Zusammenhang mit dem Artikel. Nach StZ-Informationen erfolgten die Anrufe jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt, als Goll den Namens des Anzeigeerstatters bereits in Erfahrung gebracht hatte. Der Anwalt selbst hatte erklärt, es würde ihn „unangenehm berühren“, wenn sein Schreiben an die Staatsanwaltschaft den Kollegen „aufgrund einer Indiskretion innerhalb der Behörde“ bekannt geworden wäre.

Der Vorgang könnte auch den Datenschutzbeauftragten Jörg Klingbeil beschäftigen, der sich an dem zunächst abstrakt geschilderten Sachverhalt interessiert gezeigt hatte. Seine Behörde rügte die Staatsanwaltschaft Stuttgart erst kürzlich in ähnlichem Zusammenhang: In einer Verfügung, wegen Stuttgart 21 nicht zu ermitteln, waren die Namen aller Anzeigeerstatter aufgeführt. Das Regierungspräsidium Karlsruhe lehnte es nun ab, deswegen eine Sanktion gegen die Staatsanwaltschaft zu verhängen. Wichtig sei, dass diese sich künftig datenschutzkonform verhalte.