Kämpften die Fahrschulen einst um Kundschaft, ringen sie nun um Nachwuchs. Jochen Klima, der Chef des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg mit Sitz in Korntal-Münchingen, spricht über die Gründe – und blickt trotz der Digitalisierung gelassen in die Zukunft.

Korntal-Münchingen - Jochen Klima konnte im Prinzip gar nicht anders, als Fahrlehrer zu werden. Die Leidenschaft hat der heute 60-jährige Korntaler womöglich sogar in den Genen: Schon der Großvater und der Vater lehrten jungen Menschen das Autofahren: 1928 gründete Robert Klima in Freudenstadt die Fahrschule, die erst der Sohn übernahm und später der Enkel.

 

„Eigentlich wollte ich meinem Vater in den Ferien bloß aushelfen“, sagt Jochen Klima – er wollte nach dem Abitur Ingenieur werden. Doch dann stellte er fest, wie viel Spaß ihm die Arbeit als Fahrlehrer bereitet – und blieb seit 1981 dran. „Mir gefiel der Umgang mit jungen Menschen und ihnen etwas beizubringen“, sagt Klima, das halte jung im Kopf. Er wusste stets, wie die Heranwachsenden ticken und was bei ihnen gerade angesagt ist.

Mangelberuf im Wandel

Für Jochen Klima war es immer ein besonderes Anliegen, jemandem das Fahren beizubringen, der sich damit schwertut. Umso größer sei das Erfolgserlebnis, jenen Schüler durch die Fahrprüfung zu bringen, egal, der wievielte Anlauf es war. Der 60-Jährige sagt, dass fast jeder Dritte durch die praktische Prüfung fliegt. Bestehen habe nicht nur mit Können zu tun: „Die Nerven spielen nicht immer mit.“

Vor Jahren verkaufte Jochen Klima seine Fahrschule und tauschte den Beifahrersitz gegen den Vorsitz im Fahrlehrerverband Baden-Württemberg. Seit 2013 ist er an der Spitze des Berufsverbands mit Sitz in Korntal-Münchingen – der Verband zog 1981 mangels ausreichend Platz aus Stuttgart weg, nachdem er das Grundstück an der Zuffenhauser Straße in Korntal erworben und bebaut hatte. Korntal war auch deshalb im Blick des damaligen Verbandschefs Gebhard Heiler, weil er dort eine Fahrschule hatte. Seinen eigenen Wechsel bedauert Jochen Klima nicht, „35 Jahre als Fahrlehrer sind eine lange Zeit“, sagt er. Ohnehin sei er nun mit dem Beruf enger verbunden denn je: Der 60-Jährige bildet Fahrlehrer weiter, in rechtlichen und pädagogischen Aspekten.

Jochen Klima berichtet von einem Beruf im Wandel. Genauer: von einem Mangelberuf im Wandel. Fahrlehrer werden verzweifelt gesucht. Der Regionalreport des Verbands Moving, eine Interessenvereinigung europäischer Verkehrsverlage und Unternehmen, spricht von 88 offenen Stellen allein im Land.

Weniger technisches Wissen nötig

Einst bildete die Bundeswehr viele Fahrlehrer aus. Diese gingen später in die Privatwirtschaft. „Die regelrechte Schwemme führte zu Dumping-Preisen und zu einem Kampf um Fahrschüler“, sagt Klima. Längst stellte die Bundeswehr die Ausbildung ein. Im Schnitt sind Fahrlehrer rund 55 Jahre alt. Viele gehen also bald in den Ruhestand – finden aber keinen Nachfolger.

„Der Beruf war sehr techniklastig“, sagt Jochen Klima. Um ihn auszuüben, musste man vor Jahrzehnten eine Kfz-Ausbildung vorweisen. Man habe zum Beispiel wissen müssen, wie man eine Panne behebt. Für den Fahrschüler konnte es früher in der Prüfung das Aus bedeuten, wenn er den Motor abwürgte. Dagegen seien heute umweltschonendes Fahren und soziales Verhalten im Verkehr gefragt. Klima fasst es so zusammen: „Früher stand die Technik im Fokus, heute ist es der Mensch und der sinnvolle Einsatz von Technik.“

Steigt nun auch die Frauenquote?

Die Fahrlehrerverbände kämpften dafür, dass die Anforderungen an Anwärter gelockert wurden. Die Ausbildung ist seit 2018 moderner und erfordert auch weniger Verständnis von Technik. Mit Erfolg: „Wir erfahren einen Zustrom. Die drei Ausbildungsstätten im Land sind gut gefüllt“, sagt Klima. Auch die Frauenquote von nur zwölf Prozent dürfte steigen.

Jochen Klima prophezeit, dass sich der Beruf Fahrlehrer auch in Zukunft „gravierend“ verändern wird. Der Grund dafür ist das autonome Fahren. Der 60-Jährige glaubt aber, dass die Industrie noch lange nicht soweit ist. So bald werde der Führerschein nicht überflüssig. Gleichwohl nennt er den Fahrlehrer der Zukunft „Mobilitätscoach“: Er bringe Menschen zwar weiterhin das Autofahren bei, denn wenn beim selbstfahrenden Auto etwa die Systeme ausfallen, müsse ein Mensch das Lenkrad übernehmen können.

Führerschein mit 18 hat Stellenwert verloren

Hinzu kämen aber Aufgaben wie Älteren zu erläutern, wie zum Beispiel all die Fahrassistenz-Systeme im Auto funktionieren. Damit habe man schon begonnen. „Beim Autokauf erklärt das meist keiner“, sagt Klima. Auch könnten die Coaches den Kunden verschiedene Wege der Mobilität und Mobilitätskonzepte aufzeigen.

An Kundschaft mangelt es der Branche bereits jetzt nicht. Lediglich der Führerschein mit 18 habe seinen Stellenwert verloren, sagt Klima, vor allem in der Stadt und wo Eltern ihre Kinder viel chauffierten. „Es verschiebt sich aber oft nur. Spätestens wenn der Führerschein für den Beruf nötig ist, kommen die Leute zu uns.“

Das Fahrgeschäft in Zahlen

Rückgang
Die Zahl der Fahrschulen in Baden-Württemberg schrumpft stetig: Gab es 2013 noch 3398, waren es voriges Jahr 3013. „Der Trend geht zu weniger, aber größeren Fahrschulen“, sagt der Chef des Fahrlehrerverbands in Korntal-Münchingen, Jochen Klima. Entsprechend sinkt die Zahl der selbstständigen Fahrlehrer (2018: 1585 zu 2016: 1696), dafür steigt die der angestellten (2018: 3283 zu 2016: 3039).

Ausbildung
Jochen Klima nennt den Beruf Fahrlehrer einen „klassischen Umsteiger- oder Draufsetzerberuf“. Voraussetzung ist Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Es folgt eine achtmonatige Lehrzeit mit Prüfungen in einer Fahrlehrer-Ausbildungsstätte. Danach lernt man in einer Ausbildungs-Fahrschule mindestens vier Monate lang unter Anleitung Theorie und Praxis.

Hürde Die Ausbildung muss man selbst finanzieren, man kann aber Zuschüsse beantragen. Um Anreize zu schaffen, damit der Nachwuchs auf Fahrlehrer umsattelt, stiegen die Gehälter. Zudem werden Fahrschulen kreativ: So bilden sie zu Bürokaufleuten aus.