Die FDP hat sich trotz Krise nicht neu erfunden. Das könnte ihr zum Vorteil gereichen. Die Partei hat die Chance gewahrt, sich mit ihren alten Werten zu einem neuen politischen Sehnsuchtsort der bürgerlichen Mitte zu entwickeln.

Berlin - Die FDP sendet Lebenszeichen, sie ist nicht von der Bildfläche verschwunden. Das ist ein beachtlicher Erfolg nach verheerenden Jahren des Niedergangs, die mit der verlorenen Bundestagswahl 2013 weder begannen noch endeten. FDP-Chef Christian Lindner hat es geschafft, die Partei vorerst zu stabilisieren. Er hat dabei, und das war keineswegs selbstverständlich, der Versuchung widerstanden, schlechten Ratgebern in den Reihen seiner Partei zu folgen, die der FDP einen Platz rechts der Union zuweisen wollten. Er hat sich auch nicht dazu drängen lassen, Eurohassern und Europaskeptikern hinterherzuhecheln. Weder wollte er die FDP auf ihre sozialliberale Tradition einengen lassen, noch zuckten bei ihm nationalliberale oder islamfeindliche Reflexe im Dunstkreis von Pegida.

 

Lindner gelang es, die FDP in einen Selbstbesinnungsprozess zu führen, aus dem sie trotz der äußeren Kräfte, die am letzten Rest der Partei zerrten, inhaltlich nahezu unverändert hervorging. Die Rückbesinnung auf Marktwirtschaft, Bildung, individuelle Freiheitsrechte und Fortschrittsglauben mögen jene langweilig finden, die mit einer liberalen Kraft im Land generell nichts anfangen können. Wenn aber die Freien Demokraten ihr Heil darin gesucht hätten, anderen politischen Wegweisern zu folgen, sie hätten sich endgültig überflüssig gemacht.

Wird die FDP zum neuen Sehnsuchtsort?

So aber hat die FDP die Chance gewahrt, sich mit ihren alten Werten zu einem neuen politischen Sehnsuchtsort der bürgerlichen Mitte zu entwickeln. Das allerdings hängt weniger von ihrer eigenen Stärke ab, sondern vom Auftritt der Konkurrenz und der erdrückenden, ermüdenden Mehrheit einer großen Koalition. Jener Teil der bürgerlichen Wählerschaft, der sich mit Grausen von einer großmäulig vor sich hindilettierenden FDP ab- und der Union zugewandt hatte, wird nun konfrontiert mit einer bürokratischen Mindestlohnregelung, einer Minientlastung der Bürger trotz Rekordsteuereinnahmen, einem milliardenschweren Rentenpaket und einer Geheimdienstaffäre, die den Verdacht nahelegt, dass der gläserne Bürger zur Sicherheitsdoktrin erhoben worden ist.

Die Partei ist noch nicht über den Berg

Jene wiederum, die mit der AfD liebäugelten, erleben jetzt den Niedergang einer Splitterpartei, die sich nicht entscheiden kann, ob nun der Islam oder doch eher der Euro zu bekämpfen ist. Kommt hinzu, dass die FDP angesichts der außenpolitischen Unfähigkeit der Linken gebraucht werden könnte, im Bund Machtfantasien jenseits der großen Koalition anzuregen.

Das alles muss keineswegs reichen, 2017 den Wiedereinzug in den Bundestag zu schaffen. Die Partei ist nicht über dem Berg. Die Wahlkämpfe in Bremen und Hamburg waren im Vergleich zu den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im März 2016 nicht mehr als erfolgreich bestrittene Sandkastenspiele, auch wenn keiner zuvor an einen Erfolg geglaubt hatte. Aber die FDP kämpft nicht mehr mit dem lähmenden Stigma der Chancenlosigkeit.