Weder die Landeschefin Birgit Homburger noch ihr Herausforderer Michael Theurer überzeugen die Liberalen restlos. Die Wahl gilt als offen.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Wahlverlierer übten umgehend den Schulterschluss. Wenige Tage nach dem Absturz der Südwest-FDP schworen sich drei dafür zentral verantwortliche Oberliberale gegenseitigen Beistand. "Wer an Birgit Homburger rüttelt, bekommt es mit Partei und Fraktion...zu tun", warnten der Nochjustizminister Ulrich Goll und der wiedergewählte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke unisono per Pressemitteilung. Die Landesvorsitzende werde die Neuaufstellung der FDP "erfolgreich in die Wege leiten".

 

Es klang wie eine Drohung auch an die Adresse der internen Kritiker. Geholfen hat sie freilich nichts. An diesem Samstag muss die Landesvorsitzende Homburger bei einem Sonderparteitag in Stuttgart um ihr Amt kämpfen - und um ihre politische Zukunft insgesamt. Ihr Herausforderer, der Horber Europaabgeordnete Michael Theurer, begegnet in der Partei zwar ebenalls einigen Vorbehalten. Doch die Stimmung unter den Liberalen, die in ihrem einstigen Stammland auf 5,3 Prozent abgerutscht sind, ist derart mies, dass ihm durchaus Chancen auf einen Sieg eingeräumt werden. Viel, hört man allenthalben, werde vom Verlauf des Delegiertentreffens in der Carl-Benz-Arena abhängen.

Die Basis könnte dort leisten, was die Führung bisher weitgehend vermieden hat: eine wirkliche Aufarbeitung des Wahldebakels. Es sei nicht gelungen, sich hinreichend von der CDU abzugrenzen, lautet die allgemeine Erklärung. Das ist wohl wahr, hätte den liberalen Strategen indes weitaus früher auffallen können. Vor allem die Nähe zum unpopulären CDU-Spitzenkandidaten Stefan Mappus wurde von den Wahlkämpfern als Bürde empfunden. "Man musste sich dafür entschuldigen, dass die FDP Mappus zum Ministerpräsidenten wählen will", gestand ein südbadischer Kandidat bei der Nachlese. Sein Fazit: Es sei ein Fehler gewesen, sich derart an die Christdemokraten zu fesseln.

Die Nähe zu Mappus hat der FDP geschadet

Besonders kritisch wird die Rolle von Rülke und Goll gesehen. Dass der Fraktionschef als bester Freund von Mappus galt, heißt es, habe der FDP gewiss nicht geholfen. Auch nach der Abwahl versicherten sich die beiden Pforzheimer in Interviews gegenseitig ihrer Wertschätzung. Seine glatte Wiederwahl für zunächst ein Jahr verdankt Rülke auch der Tatsache, dass sich in der dezimierten Fraktion kein Gegenkandidat fand.

Der Justizminister ließ nicht minder Distanz vermissen. Er lobte den autokratisch agierenden CDU-Chef im StZ-Interview allen Ernstes als "verkappten Liberalen". An Mappus' fragwürdigsten Aktionen fand Goll nichts auszusetzen. Nach dem Polizeieinsatz im Schlossgarten schimpfte er über verwöhnte Wohlstandsbürger, den EnBW-Rückkauf bejubelte er als einmalige Gelegenheit. Homburger bemühte sich immerhin um eine etwas differenziertere Tonlage, blieb dabei aber zu zaghaft. Was zu sagen gewesen wäre - etwa zum EnBW-Deal -, sagten die Jungliberalen: Als einzige Kraft in der angeblich so wirtschaftskompetenten Partei erkannten sie auf Anhieb die Problematik des Milliardengeschäfts.

Der Nachwuchs drängt auf Erneuerung

Der Nachwuchs ist es denn auch, der am massivsten auf eine "wirkliche Erneuerung" dringt. Die könne niemand glaubhaft verkörpern, der seit vielen Jahren Verantwortung für den Kurs der Landespartei trage - eine Absage an Homburger und ihren langjährigen Vize Theurer gleichermaßen. Doch die Hoffnungen der Julis auf einen dritten Kandidaten, den Bundestagsabgeordneten Florian Toncar (31), blieben bisher unerfüllt. Toncar, dem allenthalben großes Potenzial attestiert wird, fühlt sich zu jung für den Spitzenjob und will lieber Vize werden. Solche Ambitionen hegen auch seine Abgeordnetenkollegen Patrick Meinhardt und Hartfrid Wolff; insgesamt wird mit bis zu sechs Aspiranten für die drei Stellvertreterposten gerechnet.

Wählen zwischen "Pest und Cholera"

Mit dem Personalangebot für den Parteivorsitz sind nicht nur die Julis unzufrieden. Man habe die Wahl "zwischen Pest und Cholera", wird wenig schmeichelhaft gemurrt, es gelte, einen "Einäugigen unter Blinden" zu küren. Schon denken Delegierte laut darüber nach, sich bei der Abstimmung zu enthalten oder gar demonstrativ ihren Stimmzettel zu zerreißen.

Klarer als Homburger bekennt sich Theurer zu den Fehlern der Vergangenheit. Er sieht sich dafür auch weniger als sie in der Haftung. Je näher man der Basis komme, desto größer sei der Rückhalt für ihn, konstatiert der 44-Jährige. Für Homburger (45) wird ins Feld geführt, dass man sie als Fraktionschefin im Bundestag nicht beschädigen dürfe. Doch auch bei einer Wiederwahl in Stuttgart ist keineswegs sicher, ob sie sich in Berlin im Amt halten kann. Bei den Amts- und Mandatsträgern scheint die fleißige, aber auch farblose Vorsitzende etwas mehr Rückhalt zu haben als ihr Kontrahent. Beide sind derzeit unermüdlich am Telefonieren.

Entscheidend, hört man immer wieder, werde die Tagesform der Kandidaten am Samstag sein. Angesichts der Unentschlossenheit der Basis komme es darauf an, wer die bessere Rede halte - und wer wen als Kandidaten für das neue Amt des Generalsekretärs präsentiere; da halten sich beide noch bedeckt. Nicht ganz ausgeschlossen wird indes auch, dass der Parteitag eine eigene Dynamik entwickele - und am Ende doch noch ein dritter Bewerber antrete.