Die FDP wählt an diesem Wochenende eine neue Führung. Spannend wird es auf den hinteren Plätzen. Auch für die baden-württembergischen Kandidaten ist längst nicht alles klar: Für Dirk Niebel wird es extrem eng. Birgit Homburger darf hoffen.

Berlin - FDP-Parteichef Philipp Rösler ist zwar verschnupft, seine Laune aber könnte trotz der viralen Turbulenzen in seinen Atemwegen kaum besser sein. Heute stellt er sich auf dem vorgezogenen Bundesparteitag der FDP seiner Wiederwahl und die Wahrscheinlichkeit, dass er scheitert, ist so gering wie ein Schneesturm in der Sahara.

 

Er genießt diese spektakuläre Wende. Vor nicht einmal zwei Monaten hätte kaum noch jemand einen Pfifferling auf ihn gesetzt. Sein Abgang schien beschlossene Sache. Aber dann fuhr die FDP in Röslers Heimatland Niedersachsen sensationelle 9,9 Prozent ein. Rainer Brüderle, dem so viele gern den Weg bereitet hätten, schlug am Morgen danach das Angebot Röslers aus, den Parteivorsitz zu übernehmen. Rösler ließ die überrumpelten Parteigremien seinen Anspruch auf den Vorsitz bestätigen und den Wahlparteitag von Mai auf März vorziehen.

Wenn es schief läuft, hat Rösler einen Schuldigen

Der 40-Jährige rief zugleich Brüderle als Spitzenmann bei der Bundestagswahl aus. Der Fraktionschef wird damit ein Amt wahrnehmen, dass es formal gar nicht gibt. Nicht einmal Spitzenkandidat soll der 67-Jährige heißen, weil dies die Parteiführung zu sehr an den Spaßwahlkampf von Guido Westerwelle erinnert, der im Projekt-18-Rausch 2002 Anspruch aufs Kanzleramt erhoben hatte. Klar ist bei dieser Aufgabenteilung, dass Brüderle im Wahlkampf die Kärrnerarbeit verrichten darf in einem Team, in dem wegen der vielen Machtkämpfe zahlreiche Feindschaften gepflegt werden. Wenn es schief läuft, hat Rösler mit Brüderle einen Schuldigen. Wenn nicht, ist Rösler der Parteichef mit den Zugriffsrechten auf Ämter. Brüderle hat dann seine Schuldigkeit getan.

Brüderle, der am Sonntag redet, hat angedeutet, wie er sich im Wahlkampf behaupten will. Er will die großen Themen auf kleine Leute herunterbrechen. Seit Wochen schon warnt er angesichts der Geldmengen, die von den Zentralbanken in den Finanzkreislauf gepumpt werden, vor Inflation. Er erinnert an schlimme Erfahrungen in Deutschland mit Geldentwertungen und rückt dabei jene in den Blick, die ihr Erspartes nicht in Gold oder Immobilien parken können, wenn der Wert des Geldes verfällt. Bei vielen Themen wird diese Strategie erkennbar und auch die Kehrtwende beim Mindestlohn, wo sich die FDP mittlerweile verhandlungsbereit zeigt, passt in dieses Konzept.

Auch Christian Lindner soll eine führende Rolle spielen

Brüderles Kurs ähnelt dem „mitfühlenden Liberalismus“, den Christian Lindner als Generalsekretär propagierte und den Brüderle, als er als Wirtschaftsminister noch den Ordnungspolitiker gab, „Säusel-Liberalismus“ schimpfte. Lindner fordert, den Liberalismus nicht aus wirtschaftstheoretischen Modellen abzuleiten, sondern darüber anhand konkreter Lebensentwürfe zu diskutieren. Brüderle tut es ihm – volksnäher – gleich.

Auch Lindner wird im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Der 34-Jährige gilt als Hoffnungsträger und kandidiert als Vizevorsitzender. Erwartet wird, dass sich die Südwest-Landeschefin Birgit Homburger als Vizevorsitzende behauptet. Schlecht sieht es dagegen für den Spitzenkandidaten der Südwest-FDP, Dirk Niebel, bei der Wahl als Beisitzer aus. Er gilt als fast chancenlos.