Sportfechten reicht den Schülern der Historischen Fechtschule Sieben Schwerter in Ludwigsburg nicht – sie wollen im Kampf auch in die Geschichte eintauchen.

Ludwigsburg: Oliver von Schaewen (ole)

Ein Hauen und Stechen – ist es das, was einen beim historischen Schwertkampf erwartet? Das diffuse Bild des Sports mit mittelalterlichen Wurzeln gewinnt an diesem Mittwochabend an Kontur. Der Fechtschulleiter Michael Schüle sammelt gegen 19.15 Uhr in der Sporthalle der Ludwigsburger Sophie-Scholl-Grundschule neun Schüler im Kreis um sich. Sie tragen Schwert, Maske und Schutzanzug. Feierlich heben sie ihr etwa 900 Gramm schweres Einhandschwert – die Klingen kreuzen sich in der Mitte. Das Ritual leitet das etwa zweistündige Training ein.

 

Der historische Schwertkampf, ein Ableger des Sportfechtens, spreche vor allem Akademiker und Handwerker an, erklärt Michael Schüle, der Leiter der Historischen Fechtschule Sieben Schwerter. Der Altersdurchschnitt liegt an diesem Abend bei etwa 30 bis 40 Jahren. „Man kann spät in den Sport einsteigen, er ist auch im fortgeschrittenen Alter noch zugänglich“, sagt der inzwischen 39-jährige Schüle. Kennengelernt habe er den Schwertkampf als 16-Jähriger. „Damals gab es noch kaum wissenschaftliche Quellen, und ich musste mir alles selbst erarbeiten.“ Im Jahr 2008 gründete er als 24-Jähriger seine Fechtschule.

Auf dem Schild prangt das Familienwappen

Der Funken springt beim sympathischen Schüle leicht über. Auch der Journalist Phil fing Feuer, als er beruflich zu einem Trainingsabend stieß. „Es ist ein toller Ausgleich – mich fasziniert besonders die historische Dimension.“ Fast tänzerisch bewegt sich der 35-Jährige während des Trainings mit dem Schwert in der Rechten und dem Wappenschild in der Linken. Darauf hat er, wie viele andere im Kurs, das Familienwappen abgebildet. „Das hat mein Großvater bei der Ahnenforschung entdeckt: Unsere Vorfahren hatten etwas mit der Küferei zu tun.“ Phil schätzt vor allem den fairen Umgang rund um den direkten Zweikampf. „Wir streiten eigentlich nie – viele umarmen sich sogar auch nach einem heftigen Kampf.“ Die Fairness ist auch hier in der Tradition gegründet. „Wir orientieren uns an den sieben Rittertugenden.“ Dazu zählten Haltungen wie Höflichkeit und Frohmut – in der heutigen Zeit würde man wohl von einer positiven Motivation sprechen, erklärt Schüle und lächelt.

Zunächst steht an diesem Abend das Festigen bestimmter Techniken an. Der Lehrer zeigt, wie man durch einen speziellen Hieb, der in einen Stich übergeht, über den Schild die Maske trifft. „Wir beginnen die Übungen immer langsam und werden im Laufe des Abends dynamischer“, erklärt der Schulleiter, der gelernter Physiotherapeut ist. Er habe die Entscheidung für die Fechtschule nie bereut, die meisten der rund 150 Schüler hätten ihm auch in der Coronapandemie die Treue gehalten. Die Stadt Ludwigsburg biete ihm die Sporthalle zur Miete als Schulraum an. Sein Traum seien eigene Räume, sagt der Großbottwarer, doch benötige er Deckenhöhen von mindestens 3,30 Metern, und die seien nicht einfach zu finden.

Die Kämpfer gehen rücksichtsvoll miteinander um

Wenig später lässt Michael Schüle wieder einen Halbkreis bilden und fragt, ob es Probleme gebe. Ein körperlich etwas kleinerer Teilnehmer fordert Hilfe an. Er hat gegen einen größeren Linkshänder Schwierigkeiten bei der Deckung. Es stellt sich heraus: Er muss den Schild mittiger halten und seinen Kopf nach oben abschirmen – gar nicht so einfach, weil er dann ja weniger sieht. Die Sicherheit der Kämpfer steht an oberster Stelle. „Alle achten auf die Regeln und ihren Partner – Verletzte gab es bei uns noch nie“, sagt Schüle. Die Klingen seien stumpf und im Stich flexibel. Einziges Risiko sind abbrechende Klingen – doch die Spezialkleidung verhindere ein Eindringen ebenso wie die Masken.

Im Luitger-Fechtbuch sind Mönche aus dem 13. Jahrhundert abgebildet

Nach weiteren 30 Minuten tritt das Training in eine neue Phase, das dynamische Anwenden. Bereits eingeübte Techniken werden eingesetzt. Ein Partner ist der „Dummy“, der den anderen angreift. Dieser wiederum kontert mit Paraden und Riposten. „Die Redewendung, sich die Blöße zu geben, kommt davon, dass man bei einer Angriffsaktion immer einen Teil der Deckung aufgibt“, erklärt Phil. Er hat das sogenannte Luitger-Fechtbuch mitgebracht. Mönche aus dem 13. Jahrhundert sind dort bei den Übungen zum Schwertkampf abgebildet. Für den Journalisten auch sprachlich eine Fundgrube: „Das Wort Entscheidung kommt daher, dass man das Schwert aus der Scheide zieht.“ Er selbst kämpft auch mit anderen Fechtwaffen – etwa dem Rapier oder dem beidhändig geführten Langschwert. Etwa drei Viertel der Fechter bevorzugten letztere Waffe.

Es ist mittlerweile 21 Uhr – die letzte Viertelstunde hat es noch einmal in sich. Der freie Kampf beginnt, die Aktionen werden noch einmal schneller. Als Außenstehender könnte man eine ernsthafte Auseinandersetzung vermuten. Aber diese Gefechte sind gerade das Salz in der Suppe dieses Sports. „Es gibt zwei Leben – wer eins verliert, muss drei Liegestütze machen“, ruft Michael Schüle. Die harte Schule soll sich im Wettkampf auszahlen: Bei Turnieren bedeuten fünf kassierte Treffer das Aus in der Vorrunde. Schafft ein Athlet es in die Hauptrunde, muss er 15  Treffer setzen, um zu gewinnen.