Feuer im Bürgerzentrum, in der Central-Klinik und bei einem Autohändler – die Freiwillige Feuerwehr Waiblingen hat ein anstrengendes Jahr hinter sich. Zwei ihrer Führungskräfte kommen hier zu Wort.

Waiblingen - Fast 14 Stunden hat der Löscheinsatz beim Brand im Bürgerzentrum Waiblingen gedauert. Kurz darauf hielt ein Feuer in der Central-Klinik die Freiwillige Feuerwehr auf Trab. Deren Kommandant Jochen Wolf und Nick Bley, der Leiter der Abteilung Kernstadt, sprechen über das anstrengende Jahr 2017 und über die Herausforderungen der Zukunft.

 
Herr Wolf, war 2017 ein besonders anstrengendes Jahr für die Feuerwehr Waiblingen?
Jochen Wolf: Wir hatten bisher insgesamt 336 Einsätze, das ist schon eine sehr hohe Zahl für eine Freiwillige Feuerwehr.
Was sind die Gründe dafür?
Nick Bley: Einer ist, dass die Bürger schneller zum Telefonhörer greifen, zum Beispiel wegen eines rauchenden Mülleimers. Früher hätte man eher selbst gelöscht.
Wolf: Es leben auch mehr ältere Menschen alleine. Wenn die den Rettungsdienst über eine Notruftaste alarmieren und der kommt nicht ins Haus, dann wird die Feuerwehr gerufen, um die Tür zu öffnen.
Wie aufwendig sind diese Bagatelleinsätze?
Wolf: Wir brauchen neun Einsatzkräfte für ein Löschfahrzeug. Damit gesichert ist, dass wir diese zusammenbekommen, müssen wir die dreifache Zahl alarmieren.
Bley: Tatsächlich sind das Einsätze, die eine kleinere Mannschaft bewältigen könnte. Zur Entlastung des Ehrenamts ist es werktags tagsüber wichtig, dass solche Kleinsteinsätze vornehmlich durch städtische Mitarbeiter abgearbeitet werden. Bereits heute führen die häufigen Feuerwehreinsätze zu Problemen am Arbeitsplatz.
Sind Rauchbrandmelder Fluch oder Segen?
Wolf: Wir sind froh, dass es sie gibt, denn das Gefährliche bei einem Brand ist der Rauch. Da entstehen verschiedenste Gifte, die Menschen in Gefahr bringen. Das größte Risiko ist, dass man im Schlaf bewusstlos wird. Dank der lauten Rauchwarnmelder wird man nachts wach. Wir als Feuerwehr bekommen Brände so schon in der Entstehungsphase gemeldet. Allerdings müssen wir auch häufiger ausrücken – weil jemand das Essen auf dem Herd vergessen hat.
Im Januar, März und April mussten Sie Großbrände bekämpfen: in einem Autohaus, im Bürgerzentrum und in einem Hochhaus mit Praxen und einer Belegarztklinik.
Wolf: Ja, die Anzahl der Großbrände lag höher als in den vergangenen Jahren. Der Brand bei einem Autohändler in Beinstein war ein großes Ereignis, mehrere Pkw und ein Reifenlager haben gebrannt. Aber es bestand keine Gefahr für Personen. Der Einsatz im Bürgerzentrum war mit 13,5 Stunden ein extrem langer, auch weil es schwer war, an die Glutnester heranzukommen. Der Brand in der Querspange ging wahnsinnig gut aus, die Personen, die im Gebäude waren, konnten sich zum größten Teil selbst retten, und da es ein Samstag war, waren nicht so viele Personen im Gebäude. Es hätte aber auch ganz anders ablaufen können. Teils brannte es in vier Geschossen gleichzeitig, das Feuer hat sich extrem schnell ausgebreitet. Wir haben da sehr viel Glück gehabt, trotz des immensen Sachschadens, der entstanden ist.
Welches war der schlimmste Einsatz?
Wolf: Das waren für mich zwei – der Brand im Bürgerzentrum und der in der Querspange. Im Bürgerzentrum, weil der Einsatz sehr lang und zäh war. Weil es Brandstiftung war, war auch das Medieninteresse im Nachgang sehr groß. Der Brand in der Querspange war dramatisch, bis wir alles eingeordnet hatten. Wir wussten über einen Zeitraum von etwa 45 Minuten nicht, ob Menschen im Gebäude sind. Wenn wir als Feuerwehr nicht wissen, wo und ob Personen betroffen sind, müssen wir ganz andere Risiken eingehen. Das Feuer selbst war dann recht schnell unter Kontrolle.
Bley: Beim Brand in der Querspange kam die Frage der Kliniken und Arztpraxen dazu, denn es war nicht klar, ob Operationen beim Brandausbruch noch durchgeführt wurden oder etwa Röntgengeräte durch das Feuer beschädigt wurden und diese eine Gefahr für unsere Einsatzkräfte darstellen. Da fragt man sich als Feuerwehrmann: Was erwartet mich da?
Bekommen Ihre Leute da Unterstützung?
Wolf: Bei uns gilt die Devise: So wie jeder zur Feuerwehr kommt, soll er wieder nach Hause gehen. Das Ehrenamt darf nicht zu stark ins Privatleben eingreifen. Wir sprechen intern über unsere Einsätze und versuchen, sie nachzubereiten. Jeder berichtet über seine Erlebnisse. Das ist anders als früher, als Feuerwehrleute starke, harte Männer sein mussten. Wir haben auch einen Notfallseelsorger, den wir hinzuziehen können. Wir verpflichten aber niemanden dazu.
Erschweren Sensationslustige die Einsätze ?
Wolf: Es wird schon wahnsinnig viel gefilmt und fotografiert. Wir arbeiten teilweise mit Planen, um Verletzte vor Schaulustigen zu schützen. Das viele Filmen verursacht auch zusätzlichen Druck bei den Einsatzkräften, ist aber nun mal ein Zeichen der Zeit. Und es hat zum Teil auch Vorteile für uns, zum Beispiel in der Öffentlichkeitsarbeit. Dass wir bei Einsätzen durch Schaulustige behindert werden, ist aber in Waiblingen zum Glück kaum der Fall.
Bley: Man sollte aber vor lauter Filmen nicht vergessen, einen Notruf abzusetzen – den Fall hatten wir bei der Querspange.
Sie haben die größte Jugendfeuerwehr im Landkreis. Wie kommt das?
Wolf: Zwischen 140 und 150 Mädchen und Jungen sind da aktiv, die Zahl ist immens. Wir fangen früh an: Bei den Firekids kann man bereits mit sechs Jahren mitmachen. Dafür brauchen wir pädagogisches Fachpersonal und erfahrene Mütter und Väter.
Bley: Zwei ausgebildete Erzieher leiten in der Kernstadt die Gruppen, machen Spiele und Parcours mit den Kindern. Im Vordergrund steht dabei die Brandschutzerziehung. Wir wollen den Kindern etwas mitgeben – zum Beispiel, wie sie einen Notruf absetzen. Für die Älteren gibt es dann die Jugendfeuerwehr.
Hat die Freiwillige Feuerwehr Zukunft?
Wolf: Wir sind froh, dass wir so eine leistungsstarke Feuerwehr haben und sehen eine Zukunft in dem System. Derzeit gibt es keine Gründe, etwas zu ändern. Wir müssen aber Maßnahmen treffen, um unsere ehrenamtlichen Mitglieder besser zu unterstützen und sie in manchen Bereichen mehr zu entlasten, um das Ehrenamt weiterhin attraktiv zu halten.
Wie zum Beispiel?
Wolf: Indem wir dafür sorgen, dass die Einsatzkräfte sich voll auf den Ausbildungs- und Einsatzdienst konzentrieren können. Feuerwehr geht nur im Einklang mit der Familie und dem Beruf. Die Zeit für die Freiwillige Feuerwehr wird immer weniger. Diese Zeit müssen wir effektiv nutzen, um die Einsatzkräfte weiterzubringen. Das heißt: flexiblere Übungszeiten, bessere Organisation von arbeitsmedizinischen Untersuchungen oder die Entlastung unserer ehrenamtlichen Führungskräfte bei verwaltungstechnischen Aufgaben. In diesem Bereich müssen wir aber noch um einiges besser werden.