Der Ministerpräsident mischt sich im Eduard-Spranger-Gymnasium unter die Schüler. Klar geht es da auch um Politik und Bildung. Aber die Frage ist doch die: Darf man ein Selfie mit dem Landes-Chef machen?

Bernhausen - Die Schüler des Eduard-Spranger-Gymnasiums (ESG) waren außer Rand und Band, als die zwei edlen Autos auf den Schulhof vorfuhren. Eine Schar Kinder war vor den Haupteingang geströmt, die Handys gezückt zum Fotografieren. Jeder wollte dabei sein, als der besondere Gast endlich ankam. Es war nicht etwa ein berühmter Sportler oder Schauspieler, der mit seiner Anwesenheit für das Tohuwabohu sorgte, sondern Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Am gestrigen Donnerstag hat der Grünenpolitiker dem Gymnasium in Bernhausen einen Besuch abgestattet.

 

Doch von Anfang an. Wie kam es, dass der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Gast am ESG ist? Kurz vor Weihnachten flatterte eine E-Mail in das Postfach der Schulleiterin Ursula Bauer: Winfried Kretschmann würde sich gerne mal ihre Schule ansehen. Die Direktorin ließ sich nicht zweimal bitten: „Ich freue mich natürlich, sonst sieht man den Ministerpräsidenten ja immer nur im Fernsehen“, sagte Bauer. Der wiederum ist solche Besuche gewohnt. „Ich schaue mir immer mal wieder Schulen an“, sagte Kretschmann. Zuletzt waren es Gemeinschaftsschulen, nun seien nach langer Zeit mal wieder Gymnasien an der Reihe. „Das ESG liegt in meinem Wahlkreis, deshalb war das als erstes dran“, ergänzt der Politiker.

Von der Mensa geht es in das Schulkino

Für Kretschmanns Besuch wurde ein eng durchgetaktetes Programm angefertigt. Sieben Stationen, an denen Schüler, Eltern und Mitarbeiter der Schule darauf warteten, mit dem Ministerpräsidenten ein paar Worte zu wechseln, sollten in eineinhalb Stunden abgeklappert werden. Als Erstes stand die Mensa auf dem Plan. Der Geruch vom Mittagessen lag noch deutlich in der Luft, unverkennbar Linsen mit Spätzle. Bei Kaffee und Kuchen redete Kretschmann mit den Eltern- und Mensavertretern. Cornelia Olbrich, die Vorsitzende des Mensavereins, erzählte von der Besonderheit der Kantine. Seit acht Jahren stehen dort Mütter am Herd, allesamt ehrenamtlich.

Weiter ging es in das schuleigene Kino. Die Schülersprecher und Mitglieder der Schülermitverwaltung (SMV) erzählten von ihrem Menschenrechtsprojekt und führten selbst produzierte Filme vor. Für die Aktion fand der Ministerpräsident lobende Worte: „Das, was ihr macht, ist sehr wichtig. Respekt.“

Zur Weltethos-Auszeichnung konnte Kretschmann nicht kommen

Im Sommer 2016 wurde das ESG als Weltethos-Schule zertifiziert, die mittlerweile achte Auszeichnung. Demnach bekennt die Schule sich zur Einhaltung der Menschenrechte, Toleranz gegenüber anderen Nationen und Religionen, Fairness und gegenseitigem Respekt im alltäglichen Zusammenleben. Bauer meinte, die Auszeichnung zur Weltethos-Schule habe Kretschmanns Augenmerk zusätzlich auf das Gymnasium gelenkt. Zur Verleihung der Zertifizierung konnte er nämlich seinerzeit nicht kommen.

Als Nächstes stellten sich die Kultur AG und die Fairtrade AG vor. Mit dem Thema Nachhaltigkeit konnte sich Kretschmann besonders gut identifizieren. „Im Staatsministerium trinken wir auch Fairtrade Kaffee“, verriet er. Vor so hohem Besuch konnten die Schüler ihre Arbeiten noch nie präsentieren. „Wir hatten schon einige Abgeordnete hier oder auch Gäste aus dem akademischen Bereich“, sagte Bauer. Einem Ministerpräsidenten hat sie an der Schule allerdings das erste Mal die Hand gereicht.

Ist man da aufgeregt? „Klar spielt etwas Nervosität mit“, gestand die Schulleiterin. Auf der anderen Seite sei der Ministerpräsident aber auch nur ein normaler Mensch. „Da muss man nicht knicksen und auch keine Ringe küssen“, sagte sie. Ziel des Besuches war, die Schule zu zeigen, wie sie eben ist. „Keine großen Reden, keine Schüler, die Fähnchen schwingen“, so die Direktorin.

Eine Selfie wäre erlaubt, es fehlt aber die Zeit

Ob es in den naturwissenschaftlichen Klassen, die Kretschmann zum Ende seines Aufenthalts besuchte, normalerweise auch so geordnet zugeht, ist allerdings die Frage. Den Schülern der sechsten und siebten Klassen merkte man die Nervosität an. Kretschmann hingegen war ganz in seinem Element. Vor über 40 Jahren stand er immerhin einst selbst vor Klassen. Nach seinem Studium an der Universität Hohenheim unterrichtete er ab 1977 Biologie, Chemie und Ethik, unter anderem in Stuttgart und Esslingen. Wenig später zog es ihn allerdings in die Politik, seit 2011 ist der Grüne Ministerpräsident.

So genau wussten die meisten Schüler am ESG natürlich nicht, wer ihnen da über die Schulter lugte. Nur, dass es „jemand ganz wichtiges“ ist, sei ihnen bewusst, so Bauer. Knapp eine Woche vor Kretschmanns Besuch wurden die Schüler informiert. Die erste Frage der sechsten Klasse: „Dürfen wir dann ausnahmsweise ein Selfie mit dem Ministerpräsidenten machen?“. Gedurft hätten sie, Zeit für Selfies gab es beim Rundgang aber nicht. So schnell der Ministerpräsident gekommen war, war er auch schon wieder weg, auf zum nächsten Termin. Was dem ESG bleibt, ist der bisher prominenteste Eintrag im Goldenen Buch der Schule und unzählige Fotos. Und der Ministerpräsident? Der wird wohl erst einmal damit beschäftigt sein, sich durch den Geschenkkorb voller Fairtrade-Leckereien und Produkten aus dem Schulgarten des Gymnasiums durchzuprobieren.