Thomas Löffler und Sven Pflug haben in den vergangenen Jahren die Filharmonie in Filderstadt geprägt. Nun verabschieden sich der Gerschäftsführer und der Veranstaltungsleiter fast zeitgleich. Im Interview berichten sie von Highlights, aber auch von Pleiten, Pech und Pannen...

Filderstadt - Nach fast 25 Jahren nehmen Thomas Löffler (63) und Sven Pflug (57) im Frühjahr 2018 beide Abschied von der Filharmonie in Filderstadt. Im Interview blicken der Geschäftsführer der Stadthalle und der Veranstaltungsleiter des Kultur- und Kongresszentrums auf eine bewegte Zeit zurück.

 
Herr Löffler, Herr Pflug, von wem stammt der folgende Satz: „Ich freue mich ein büssel über diesen schönen Schlüssel“?
Thomas Löffler: Na klar, das war der damalige OB Dr. Peter Bümlein bei der Schlüsselübergabe zur Einweihung der Filharmonie 1994.
Sven Pflug: Wer unseren damaligen OB kannte, wusste, dass er immer für einen flotten Spruch gut war. Dieser Satz von ihm ziert seit knapp 25 Jahren unser Treppenhaus in der Verwaltung.
Welche Erinnerungen haben Sie an die Einweihungsfeier im Mai 1994 und was waren Ihre Gedanken, als sie zum ersten Mal in der Filharmonie standen?
Löffler: Oh, es gibt verschiedene Gedanken, die mir da kommen: Zunächst gestehe ich, dass ich ausgesprochen stolz war, eine solch schöne Halle leiten zu dürfen. Außerdem ist mir noch sehr klar in Erinnerung, dass ich vollkommen geplättet war, als ich das erste Mal diese Bühne mit 24 Metern Breite betrat: Ich kannte keine vergleichbare Halle – und kenne diese bis heute nicht – die eine solche Bühnenbreite aufweist. Es war mir klar, dass man mit dieser Bühne viel Gutes und vor allem viel Neues für Filderstadt angehen konnte. Große Konzerte, Opern, Operetten, großartige Festabende, Bälle – dafür gab es bisher in Filderstadt keinen Platz – nun wurde dies möglich.
Pflug: Und genau dies wollten wir mit der Eröffnungsfeier und der Festwoche zeigen: Die vielfältigen Möglichkeiten, die in dieser Halle stecken.
Wie sind Sie eigentlich zur Filharmonie gekommen?
Löffler: Ich habe zuvor eine Stadthalle im Kreis Offenbach geleitet, auch da habe ich die Halle vom Bau in die Nutzung geführt, also alle Strukturen gänzlich neu aufgebaut. Dass ich diese Erfahrung noch einmal machen durfte und mein Wissen nochmals einbringen durfte, betrachte ich auch als Glücksfall für mich persönlich.
Pflug: Ich war ja bereits in Filderstadt und habe vom Kulturamt in die Filharmonie gewechselt und habe so den Kulturauftrag der Gemeinde in die Filharmonie mit übernommen.
Der Bau der Halle war nicht unumstritten, es gab viele Proteste. Kritiker fürchteten damals, dass die 37 Millionen Mark teure Halle zum Finanzgrab werden könnte. Was sagen die Zahlen, Herr Löffler?
Löffler: Ja, ich erinnere mich, dass OB Dr. Bümlein damals zu mir meinte, wegen der Filharmonie würde er wohl bei der nächsten OB-Wahl nicht wiedergewählt werden. Jeder weiß, dass er mit über 99 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde. Sicherlich nicht wegen der Filharmonie, aber: Die Filharmonie hat ihm sicher nicht geschadet. Nein, ich bin schon stolz darauf, dass die Filharmonie in den 25 Jahren unter meiner Führung eigentlich nie negative Schlagzeilen geliefert hat und man sagen kann, dass diese Filharmonie sich in Filderstadt positiv verankert hat und heute aus Filderstadt nicht mehr wegzudenken ist. Die Filharmonie genießt auch in der Region einen guten Ruf. Und einer der Gründe ist natürlich die solide wirtschaftliche Situation und die seit vielen Jahren positiven Wirtschaftsabschlüsse. Die Filharmonie wurde nicht zum „Millionengrab“, wie von manchem vorschnell tituliert, sie hat sich für Filderstadt gelohnt und hat Filderstadt Gewinn gebracht.
Schauen wir auf das inhaltliche Konzept: Die Filharmonie hat den Anspruch, ein Haus für alle sein zu wollen, und bietet ein sehr breites kulturelles Spektrum. Funktionieren alle Sparten, oder muss sich etwas verändern, damit die Halle zukunftsfähig bleibt?
Löffler: Die Philosophie der Filharmonie basiert auf drei Beinen: Erstens wollten wir für Filderstadt ein qualitativ gutes, hochwertiges Kulturangebot liefern. Wenn dies erfolgreich sein soll, muss es aus einer Hand kommen, deshalb habe ich vor 25 Jahren dafür gekämpft, den Kulturauftrag vom damaligen Kulturamt rüber in die Filharmonie zu holen. Zweitens wollten wir die Filharmonie als die „gute Stube“ Filderstadts für die gesellschaftlichen Ereignisse Filderstadt bereitstellen: Partnerschafts-, Abibälle, die großen Vereinsfeste bis hin zur privaten Hochzeits- und/oder Konfirmationsfeier. Wir haben uns immer als Filderstädter Halle definiert und unsere Halle und unsere Arbeit in diesen Dienst gestellt. Drittens wollten wir natürlich mit einem hohen Auslastungsgrad die Kosten, die wir für Kultur und Gesellschaftsereignisse finanzieren, in möglichst hohem Maße zurückholen: Deshalb wollten wir am Hallenmarkt eine dominante Rolle spielen und marktgerecht handeln. Mit über 700 Veranstaltungen per anno und einem Umsatz über der Millionengrenze sind wir denke ich sehr gut aufgestellt und heute eine der führenden, bestausgelasteten Hallen in der Region Stuttgart.
Pflug: Im Bereich der Kultur haben wir immer auf ein breites Spektrum gesetzt und auf ein Programm für die Filderstädter Bürgerinnen und Bürger. Die Großstadt Stuttgart mit dem breiten Kulturangebot kann man nicht toppen, aber wir haben immer wieder Nischen gesucht und gefunden, die im Großangebot Stuttgarts untergehen. Aber auf Ihre Frage: Muss sich was verändern? Ja, natürlich! Das traditionelle Abo-Programm hat 25 Jahre funktioniert, aber das Abo-Publikum schwindet. Die Gewohnheiten der Menschen von heute haben sich verändert, man möchte sich ungern ein halbes Jahr im Voraus terminlich binden. Hier müssen neue Akzente gesetzt werden. Das wird die Aufgabe unserer „Neuen“ sein.
Zum 20-jährigen Bestehen der Filharmonie gab es eine rauschende Silvesterparty mit einem öffentlichen Musikfeuerwerk, das viele Besucher aus Filderstadt und der Region angelockt hat. Warum gibt es ein solches Event nicht jedes Jahr zu Silvester?
Löffler: Auch hier hat sich das Konsumverhalten geändert. Die früheren Silvesterbälle finden kein Publikum mehr, deshalb haben wir diese nicht mehr regelmäßig im Angebot. Vielleicht haben die Neuen da ja ganz neue Ideen.
Stichwort Knaller: Was waren Ihre persönlichen Highlights der vergangenen Jahre und wen hätten Sie gern nach Filderstadt geholt?
Löffler: Es fällt mir schwer, den Knaller zu definieren, ich denke, wir hatten viele Knaller. Denken Sie an unsere Neujahrskonzerte, oder wenn die Musikschule die Kinder aus den Filderstädter Schulen zur „Singenden Grundschule“ in die Filharmonie bringt: Das sind alles Knaller für mich. Aber wenn ich doch eine ganz persönliche, individuelle Hitliste zusammenstelle, dann stehen da Namen wie Eric Burdon und John Mayall, Gianna Nannini und Johnny Winter, da ist Badesalz, auch das Stück „Jerg Rathgeb“ vom Lindenhof ist ganz vorne mit dabei. Einmal waren wir knapp dran, die Toten Hosen ins Haus zu bekommen, da wäre auch ein Traum in Erfüllung gegangen.
Pflug: Das waren schon Highlights, auch für mich. Hinzufügen würde ich gerne das Leipziger Ballett, noch mit Uwe Scholz, die Sängerin Barbara Hendricks, die Pianisten Tzimon Barto und Jeremy Menuhin, Abende mit dem großen Peter Härtling und Konzerte von Motörhead, Dream Theater, Roger Chapman, Peter Green, Ludwig Hirsch und Rainbow.
Gab es auch Pleiten, Pech und Pannen?
Löffler: (lacht) Nein, nie! Na gut: Natürlich gab‘s die, aber über die reden wir nicht so gerne. Ich denke, die meisten Pannen konnten wir ausbügeln, und die sollen nicht in Erinnerung bleiben.
Pflug: Das ist alles immer auch gut ausgegangen: Ein Theaterensemble rief mich einmal aus der Intensivstation an wegen eines Unfalls am Tag des Auftritts, eine Gruppe war in der Schweiz eingeschneit, und die Grippe erwischt auch Künstler. Oder ein Solocellist schneidet sich den halben Finger ab – solche Dinge geschehen eben im Alltag – wir holen diese Termine schnellstmöglich nach oder sorgen für adäquaten Ersatz.
Hand aufs Herz: Lief die Zusammenarbeit immer reibungslos oder gab es zwischen Ihnen beiden auch einmal Unstimmigkeiten?
Löffler: Natürlich gab’s auch mal Unstimmigkeiten. Wir sind beide Menschen mit relativ klaren Vorstellungen und starke Persönlichkeiten. Aber wir haben die immer sehr schnell solidarisch ausgeräumt und haben ein super Team gebildet. Ich habe selten einen Menschen erlebt wie Herrn Pflug, mit dem ich so viele Grundeinstellungen gemeinsam habe. Wir haben einen sehr ähnlichen Kulturbegriff und einen ähnlichen Musikgeschmack, er liest sehr viel, was ich auch gerne lese. Dies wird mir künftig fehlen, das war schon ein Glücksfall mit uns denke ich. Wer außer uns kennt schon alle Asterix-Bände auswendig und kann die jederzeit zitieren?
Pflug: Alea iacta est. Viele Hallenchefs kommen ja aus dem Businessbereich – da Thomas Löffler auch aus der Kulturarbeit kam, gab es da wunderbarerweise viele Verbindungen und Gemeinsamkeiten, das findet sich in dieser Form eher selten. Wir haben oft über Interpretationen eines Theaterklassikers diskutiert oder über das Solo eines Gitarristen; unser Umgang war stets respektvoll und wertschätzend, Humor spielte bei uns immer eine große Rolle – und der Fußball auch.
Herr Löffler, im Frühjahr 2018 übergeben Sie den Hausschlüssel an die bisherige Chefin der Nürtinger Stadthalle K3N, Helene Sonntag. Haben Sie Ihre Nachfolgerin schon kennengelernt?
Löffler: Ja, natürlich, sie war eine meiner Wunschkandidat(inn)en auf meine Nachfolge, weil ich weiß, dass sie die Filharmonie in meinem Sinne weiterführen wird und dass sie das Team positiv zusammenhält. Wir treffen uns schon regelmäßig und bereiten die Übergabe vor. Ich glaube, sie ist ein Glücksfall für Filderstadt und die Filharmonie. Sie ist die richtige Frau am richtigen Ort.
Herr Pflug, Sie wechseln auf eigenen Wunsch als Veranstaltungsleiter zur Barbara-Künkelin-Halle nach Schorndorf. Wer übernimmt Ihren Job in der Filharmonie?
Pflug: Mein Nachfolger ist ausgewählt, noch ist der Vertrag aber nicht unterschrieben, also kann ich hier noch nichts sagen. Ich baue aber darauf, dass der jüngere Kollege mit viel Schwung und Engagement neue Elemente und neue Facetten in die Kulturarbeit der Filharmonie und der Stadt Filderstadt bringen wird – dass er das kann, hat er andernorts bereits bewiesen.
Bei Ihnen rückt der Ruhestand näher, Herr Löffler. Wie schwer fällt Ihnen der Abschied, und haben Sie bereits Pläne, was Sie in Ihrer freien Zeit machen wollen?
Löffler: Ich gebe zu, es fällt mir nicht ganz leicht. Aber ich gewöhne mich langsam an den Gedanken und beginne, ihm auch Positives abzugewinnen. Zunächst geht es aber vor allem darum, dass ich mich gesundheitlich stabilisiere. Noch vor einem Jahr sah das nicht gut bei mir aus. Ich habe mir fest vorgenommen, ein halbes Jahr erst mal gar nichts zu machen, außer gesund zu leben, viel Fahrrad zu fahren und meine Frau zu verwöhnen. Die muss nämlich noch ein paar Jahre arbeiten.

Zur Person Thomas Löffler:

Thomas Löffler ist 1954 als Sohn des Pfarrers Eugen-Otto Löffler in Trossingen geboren. An der Uni Marburg studierte er Soziologie, Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Philosophie und hat einen Abschluss als Diplom-Soziologe. An der Führungsakademie der Wirtschaft in Bad Harzburg belegte er das Zweitstudium Betriebswirtschaft. Von 1984 bis 1988 war er Organisationsleiter im Kulturhaus Marburg e.V., anschließend leitete er bis 1992 das Bürgerhaus in Dietzenbach. Seit 1992 ist er Geschäftsführer der Filharmonie Filderstadt. Zehn Jahre lang, von 2004 bis 2014, war er zudem Geschäftsführer der INTHEGA e.V. (Dachverband der Städte mit Theatergastspielen) und war zudem von 2008 bis 2016 Lehrbeauftragter beim Messe-Kongress-Eventmanagement an der DHBW Ravensburg.

Zur Person Sven Pflug:

Sven Pflug ist 1960 in Backnang im Rems-Murr-Kreis geboren. Nach dem Abitur in Backnang folgte eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Seinen Zivildienst absolvierte er beim DRK Waiblingen. In Tübingen hat Sven Pflug Vergleichende Literaturwissenschaft studiert und gleichzeitig verschiedene kulturelle und redaktionelle Tätigkeiten ausgeübt. Dazu zählte die Mitarbeit beim Kulturzentrum Zoo, dem Club Voltaire, beim Radio Uhland und beim Radio der Universität Tübingen, beim Tagblatt Tübingen, bei den Stuttgarter Nachrichten sowie bei diversen Literatur- und Musikmagazinen. Von 1991 bis 1994 war er Kulturmanager von Filderstadt im Kulturamt und unter anderem zuständig fürs kommunale Abonnement. Seit 1994 ist Sven Pflug Veranstaltungsleiter der Kultur in der Filharmonie.