Wie die aktuell umgesetzte Reform der Notariate in der Praxis aussieht, davon berichtet eine betroffene Frau aus Filderstadt. Die Folgen sind weitläufig, denn statt einer Anlaufstelle gibt es nun mehrere verschiedene.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Filderstadt - Wenn ein geliebter Mensch stirbt, beginnt für die Angehörigen eine schwierige Zeit. Gilt es doch, sich in diesen ersten Wochen und Monaten der Trauer an den Verlust zu gewöhnen und sich das Leben neu einzurichten. In den meisten Fällen gibt es aber auch einiges an Papierkram zu erledigen, Formulare auszufüllen, Ämter zu besuchen, Anträge einzureichen. Das in einer Zeit, in der die Trauernden eigentlich den Kopf nicht frei haben für solche Angelegenheiten.

 

So ergeht es derzeit einer Filderstädterin, die sich nach einem Bericht zur Notariatsreform in unserer Zeitung in der Redaktion gemeldet hatte. Ihr Mann ist vor einigen Monaten verstorben. „Daraufhin habe ich die notwendigen Unterlagen zur Testamentseröffnung im Filderstädter Notariat abgegeben“, erzählt die Frau. Kurz vor Weihnachten erhielt sie jedoch einen Anruf mit der Bitte, die Unterlagen wieder abzuholen: „Es hieß, sie seien nun nicht mehr zuständig, stattdessen müsste ich zum Amtsgericht Nürtingen.“ Im Januar habe sie also dort angerufen und dann die Unterlagen in Nürtingen vorbeigebracht. „Das Gericht hat das auch zügig bearbeitet, nach ein paar Tagen kam die Testamentseröffnung“, berichtet sie. Aus den umständlich formulierten Unterlagen ging aber nicht hervor, was als Nächstes zu tun war – und vor allem, wo. „Um den Erbschein zu beantragen, musste ich zu einem jetzt freien, nicht mehr staatlichen Notar gehen.“

Wegen eines Vorgangs zu drei verschiedenen Stellen

Wie berichtet, sind alle staatlichen Notariate zum 1. Januar 2018 geschlossen worden. Deren Aufgaben haben nun freie Notare übernommen sowie die Amtsgerichte in verschiedenen Landkreisen. Beim freien Notar habe man sie vorgewarnt, berichtet die Filderstädterin: Man sei gerade sehr überlaufen, eben aufgrund der Reform, so dass man frühestens im März Zeit für einen Termin zur Beantragung des Erbscheins hätte. „Sobald ich dann den Erbschein habe, muss ich zum Amtsgericht Böblingen, um das Grundbuch ändern zu lassen“, sagt die Witwe. „Dass man wegen eines Vorgangs zu drei verschiedenen Stellen laufen muss – wer hat sich das ausgedacht?“ Vor allem gibt sie zu bedenken: „Ich bin Mitte 60 und habe ein Auto. Was machen ältere Leute, die kein Auto haben und vielleicht auch nicht mehr gut zu Fuß sind?“

Besonders jetzt, in der Trauerzeit, falle ihr das alles sehr schwer. „Man braucht die Kraft für etwas anderes“, sagt die Frau. Sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, weil sie nicht auf den Tod ihres Mannes angesprochen werden will. Den hat sie noch längst nicht verarbeitet, die ständige Erinnerung und die Notwendigkeit, sich dauernd mit neuen Formularen zu befassen, setzen ihr zu. Trotzdem ist ihr das Thema wichtig genug, um sich mit der Zeitung in Verbindung zu setzen: „Ich möchte zeigen, was dabei herauskommt, wenn so etwas entschieden wird, ohne die Bürger zu fragen“, erklärt sie. „Was sollen solche Reformen, bei denen hinterher der Bürger der Dumme ist?“

Es werde sich einpendeln, sagt ein Notar

Die Notariatsreform und die Neuordnung des Grundbuchwesens bilden die größte Reform in der Geschichte der baden-württembergischen Justiz, berichtet Steffen Tanneberger, Sprecher des Justizministeriums. „3000 Bedienstete und 300 Notariate waren betroffen, mehr als 150 Kilometer an Akten waren zu verschieben“, sagt er. „Ohne Übergangsphase musste die Reform über Nacht vollzogen werden.“ Gemessen an diesen Herausforderungen sei die Reform „ohne strukturelle Verwerfungen“ umgesetzt worden. „Bürgerbeschwerden traten nur vereinzelt auf und bezogen sich im Wesentlichen auf punktuelle, lokale Problemlagen.“ Hintergrund für die Reform, so Tanneberger, seien vor allem europarechtliche Vorgaben gewesen.

Auch der Echterdinger Notar Jürgen Kuhn, seit Januar als freier Notar am Flughafen tätig, bekommt kaum Beschwerden zugetragen. „Ich empfehle den Bürgern, geduldig zu sein“, meint er. „Dass in den ersten Monaten ein wenig Stau herrscht, ist normal. Es wird sich alles einpendeln, und alle Beteiligten sind bestrebt, es gut zu machen.“ Die Anfahrtswege nach Nürtingen oder Böblingen werden allerdings bleiben.