Wie war das, als in Waiblingen die Altstadt saniert wurde? Überall tiefe Gräben und viel Lärm. Der Filmclub Waiblingen, der sich vor 60 Jahren gegründet hat, zeigt am Samstag auch Bilder dieser Großbaustelle.

Filme zu drehen, zum Beispiel von Urlaubsreisen, das war in den Sechzigern „ein Hobby für die betuchte Mittelschicht“, sagt Leo Hippold, der viele Jahre der Vorsitzende des Filmclubs Waiblingen war. Das Material war teuer, daher behalfen sich Amateure mit einem Trick, erzählt der heutige Vereinsvorsitzende Wolfgang Kiunke: 16-mm-Filme wurden zweimal je zur Hälfte belichtet und nach der Entwicklung der Länge nach halbiert. Trotz der hohen Kosten gab es in Waiblingen einige Filmfans mit Kamera, die jedoch alle das gleiche Problem hatten, berichtet Leo Hippold: „Die Industrie hatte Geräte auf den Markt gebracht, bei Problemen gab es aber keinen Ansprechpartner.“

 

Ein Glück, dass es im Fotohaus Kienzle, seit 1910 in der Blumenstraße ansässig, einen Experten in Gestalt des Luftbildfotografen Siegfried Sauter gab. In dieser Anlaufstelle traf sich die lokale Filmszene – und beschloss irgendwann, einen Verein zu gründen. Der existiert seit dem 5. August 1963, trug einst den Spitznamen „Krawatten-Filmclub“ und ist bis heute aktiv: als Filmclub Waiblingen, der dieses Jahr 60 wurde.

Waiblingen gönnt sich seit Mitte der 1960er Jahre einen Stadtfilmer

In sechs Jahrzehnten sind viele, viele Meter Filmband belichtet worden. Etwa die Hälfte davon im Auftrag der Stadt, die sich ungefähr ab Mitte der 1960er Jahre einen Stadtfilmer leistete. Damals beauftragte Oberbürgermeister Kurt Gebhardt den Vereinsvorsitzenden Hans Tchorz, wichtige Ereignisse im Stadtleben filmisch festzuhalten. Das tat Hans Tchorz bis 1989, obgleich sich seine Wege und die des Filmclubs nach etwa zehn Jahren trennten. „Er hielt die Super-8-Kamera, seine Frau eine 1000-Watt-Leuchte“, erinnert sich Leo Hippold an den langjährigen Stadtfilmer. Peter Tchorz sei auch ein guter Redner gewesen, sagt Wolfgang Kiunke. Die Filme, die anfangs keine Tonspur hatten und nachträglich vertont werden mussten, habe er „einfach ohne ein Konzept und in einem Rutsch besprochen“.

Peter Tchorz’ Nachfolger Peter Beck war bis zum Jahr 2020 als Stadtfilmer aktiv, seither kümmert sich ein Kollektiv darum, das Geschehen in Waiblingen in Form des „Stadtjournals“ filmisch festzuhalten. Die Bilder der ersten sechs Monate des aktuellen Jahrs laufen beim öffentlichen Abend am Samstag über die Acht-Meter-Leinwand im Bürgerzentrum. Außerdem dreht der Filmclub traditionsgemäß die Zeit zurück und zeigt Bilder von Heinz Maurer und Harald Sauter, welche die Großbaustellen im Zuge der Altstadtsanierung, des Baus der Fußgängerzone und des umstrittenen Projekts Einkaufspassage Marktgasse in beeindruckenden Bildern festgehalten haben.

Das Filmarchiv wird öffentlich zugänglich

Am Samstag wird auch der allererste Film des Clubs aus dem Jahr 1964 laufen. Sein Inhalt wird nicht vorab verraten. „Kommen und schauen“ lautet die Devise, der bei jedem Filmabend stets einige Hundert Zuschauer folgen. Dazu gehörten viele Altwaiblinger, die ihre Kinder und Kindeskinder mitbringen, sagen Kiunke und Hippold, die bedauern, dass ihr Verein dennoch ein Nachwuchsproblem hat: „Unser Nachwuchs besteht vor allem aus angehenden Rentnern.“

Der Filmclub Waiblingen hat früh erkannt, welch Schatz alte Filmaufnahmen darstellen. Kürzlich hat Wolfgang Kiunke beispielsweise einen Film gezeigt, den ein in die USA ausgewanderter Beinsteiner 1936 in seiner alten Heimat drehte: „Die Leute sind davon begeistert.“ Dank der Stadtfilmer lagerten im Filmarchiv der Stadt Waiblingen rund 220 Filme, sagt Leo Hippold, „und ungefähr noch mal so viele bei uns“. Diese Filme will der Verein der Öffentlichkeit zugänglich machen und tut sich dazu mit dem Heimatverein Waiblingen zusammen. „In naher Zukunft wird es die Möglichkeit geben, sich beim Heimatverein am Marktplatz aus einer Liste Filme auszusuchen und anzuschauen“, verspricht Wolfgang Kiunke.

Mehr zum Filmclub Waiblingen unter: www.filmclubwaiblingen.de

Alte Schätze werden aus dem Archiv geholt

Filmabend
 An diesem Samstag, 11. November, veranstaltet der Filmclub Waiblingen von 19 Uhr an einen öffentlichen Filmabend im Bürgerzentrum Waiblingen. Gezeigt werden unter anderem ein Film über die Altstadtsanierung und den Bau der Fußgängerzone, ein Streifen über die Wiederansiedlung des Rebhuhns, Eindrücke vom Besuch einer Delegation bei den Special Olympics, die Entstehung des Wohngebiets auf dem Klinikareal und eine Reise entlang der Donau. Auch der älteste Film des Clubs aus dem Jahr 1964 wird gezeigt. Worum es darin geht, wird vorab nicht verraten. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

Geschichte
Der Heimatverein Waiblingen bietet während des Weihnachtsmarkts immer samstags ab 17 Uhr die Möglichkeit, in seinen Räumen in der Kurzen Straße 20 gut 400 Filme aus dem Archiv des Filmclubs und der Stadt Waiblingen anzuschauen. Das Angebot soll es in Zukunft regelmäßig geben.