Die Auseinandersetzungen über die strittigen Rückzahlungen von Corona-Soforthilfen spitzen sich zu. Im Herbst vergangenen Jahres hatte das Land abermals mehr als 60 000 Selbstständige und Kleinunternehmen angeschrieben, sich wegen einer möglichen Rückzahlung der Soforthilfen zu melden – „letztmalig“, wie es hieß. Doch bis zum Stichtag Ende Januar sind nur knapp 16 000 diesem Aufruf gefolgt. Das teilten das Wirtschaftsministerium des Landes und die Landeskreditbank, die die Programme abwickelt, auf Anfrage unserer Zeitung mit.
Die Betriebe müssen die Hilfen jetzt komplett zurückzahlen
Obwohl die L-Bank betont, dass man „wegen der Vielzahl an Eingängen“ die Auswertung noch nicht vollständig abgeschlossen habe, reagierten damit wohl mehr als 40 000 Empfänger der Hilfen nicht auf die Schreiben. Sie müssen nun damit rechnen, dass sie ihre Soforthilfen vollständig zurückzahlen müssen – plus stattlicher Zinsen. Wegen der noch laufenden Auswertung hat die Staatsbank aber noch keine Rückforderungsbescheide erlassen oder Zahlungsfristen gesetzt.
Die Soforthilfen waren im Frühjahr 2020, als infolge der Pandemie Läden wochenlang schließen mussten, als Zuschüsse bewilligt worden – die wiederum anhand von Geschäftsprognosen berechnet worden waren. Insgesamt flossen rund 2,2 Milliarden Euro. Die Antragsteller waren allermeist Soloselbstständige oder Kleinunternehmer wie Friseure, Gastronomen, Händler und Kulturschaffende. Laut Land zählten 94 Prozent der 245 000 Antragsteller bis zu zehn Beschäftigte.
Viele dieser Soforthilfe-Empfänger waren allerdings überrascht, als das Land etwas später die Kriterien für die rasche und unbürokratische Hilfe veränderte und spezifizierte. Damit stimmte manche Prognose nicht mehr mit den gewährten Zuschüssen überein. Andere hatten nicht damit gerechnet, dass sie die Zuschüsse – je nach Unternehmensgröße maximal 9000 bis maximal 30 000 Euro – überhaupt zurückzahlen müssen. Noch immer ist der Unmut darüber groß, viele Antragsteller fühlen sich von der Landesregierung noch immer „getäuscht“ oder zumindest schlecht behandelt.
Wie strittig das Thema ist, zeigt sich auch an der Zahl der Widersprüche. Anfang Februar lagen bei der L-Bank noch immer rund 4200 Widersprüche in Zusammenhang mit der Soforthilfe vor, bei denen es insgesamt um 37 Millionen Euro geht.
„Manche fühlen sich den behördlichen Institutionen ausgeliefert“
Warum aber melden sich Zehntausende von Kleinunternehmern und Selbstständigen überhaupt nicht bei der L-Bank, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet sind und das Verfahren seit mehr als zwei Jahren läuft?
Obermeister Uwe Volz berät für die Friseurinnung der Region Stuttgart viele Betriebe, die meisten des Gewerbes haben Soforthilfen in Anspruch genommen. Volz spricht von einer Mischung aus Mutlosigkeit und totaler Resignation in der Branche. „Manche Friseurinnen und Friseure fühlen dem Land gegenüber eine Mischung aus Enttäuschung und Frust. Manche machen sich nicht mehr die Mühe zurückzuschreiben, weil sie ohnehin glauben, dass sie alles zurückzahlen müssen. Manche fühlen sich den behördlichen Institutionen ausgeliefert.“
Dass Verbände aber den Mitgliedern unter der Hand raten könnten, die Anschreiben der L-Bank zu ignorieren oder die Sache auszusitzen, streiten die Branchenvertreter ab. „Wir würden unseren Mitgliedern nie raten, sich nicht zurückzumelden“, sagt etwa Lukas Kohl, Jurist des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks.
Von den 60 000 Selbstständigen und Kleinunternehmen, die die L-Bank abermals anschrieb, meldeten sich immerhin bis jetzt 15 800 zurück – so viel wurden von der L- Bank bis Anfang Februar erfasst. Die Prüfer ermittelten bei knapp 8200 von ihnen einen Rückzahlungsbedarf in einer Gesamthöhe von rund 52 Millionen Euro. Diese Unternehmen und Selbstständigen müssen damit im Schnitt 6300 Euro der gewährten Hilfen zurückerstatten.
Wie stark die Nachzahlungen die Betriebe belasten könnten, ist dabei höchst unterschiedlich – geschäftsgefährdend sind sie meist nicht. Allerdings haben in den genannten Branchen ohnehin bereits Tausende ihre Betriebe während und nach der Pandemie für immer geschlossen.
Das Thema wird das Land und die Unternehmen noch lange beschäftigen
Tausende andere Betriebe wiederum müssen in den kommenden Monaten genau kalkulieren, wie sie trotz Rückzahlungen am besten über die Runden kommen. Anfang Februar waren laut L-Bank – über die aktuellen Forderungen hinaus – noch immer rund 34 000 Rückforderungen der Corona-Soforthilfen in einer Gesamthöhe von rund 230 Millionen Euro offen. Die Rückzahlung der Hilfen wird bei Unternehmern im Land wie bei der L-Bank selbst wohl nicht nur in diesem Jahr ein unliebsames Thema bleiben.