Unternehmen entdecken den Naturschutz in Baden-Württemberg. Das geht für die Beschenkten nicht ohne Imageprobleme. Naturschützer müssen sich des Verdachts der Käuflichkeit erwehren.

Immendingen - Der Naturschutz ist ein echter Konkurrent für Kultur und Sport geworden: Immer häufiger spenden Firmen für Projekte oder kooperieren sogar mit Naturschutzverbänden. Schaffen diese Finanzspritzen neue Abhängigkeiten? Erkauft sich die Industrie damit das Wohlverhalten der Naturschützer bei Bauvorhaben? Ein Verdacht, den die Verbände im Land weit von sich weisen.

 

In Baden-Württemberg hat vor allem der Naturschutzbund Nabu diese Geldquelle entdeckt und will sie laut dem Landesvorsitzenden Andre Baumann auch ausbauen. Besonders ergiebig sind die Kontakte zum Automobilkonzern Daimler. Für das Nabu-Schutzboot „Netta“ am Bodensee (Kosten rund 86 000 Euro) steuerte Ende 2008 das Unternehmen 20 000 Euro bei. Seit März 2009 betreibt der Nabu mit dem Biosphärenmobil ein rollendes Infozentrum. Das Fahrzeug – ein erdgasgetriebener Sprinter (Wert rund 54 400 Euro) kam Mitte Juni 2008 von Daimler, zudem gab es für den Ausbau 66 500 Euro. Richtig viel Geld stellte der Konzern im Februar dem Nabu für die Renaturierung von zwei Mooren bei Hinterzarten im Schwarzwald und im Bodenmöser bei Isny im Allgäu zur Verfügung: 920 00 Euro fließen in das Projekt „Moore mit Stern“.

Hinter all dieser Großzügigkeiten könnte mehr stecken – wie erst die „Berliner Zeitung“, später dann der „Spiegel“ aufzeigten. Auslöser war ein Fall in Hessen: Der dortige Landesverband des Nabu habe laut Medienberichten eine Klage gegen einen Windpark zurückgezogen, weil die Betreiber eine halbe Million Euro in einen Naturschutzfonds eingezahlt hätten. Den verwaltet eine Stiftung des Nabu. Der Betreiber sprach von „Wegezoll“, die Naturschützer wiesen dies zurück.

Nabu-Chef: „Geld gegen Klage“ kein neues Geschäftsmodell

„Geld gegen Klage“ sei keinesfalls ein neues Geschäftsmodell des Nabu, weist auch der baden-württembergische Landeschef Andre Baumann den im Hamburger Nachrichtenmagazin suggerierten Verdacht der Käuflichkeit zurück. „Wir lassen uns durch Geldzahlungen von Unternehmen nicht zu Zugeständnissen bewegen“, betont Baumann. Es gebe weder einen zeitlichen noch einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Projekt „Moore mit Stern“ und der geplanten Daimler-Teststrecke in Immendingen (Kreis Tuttlingen).

Das bestätigt ein Sprecher des Konzerns. Bereits 2010 habe der Nabu wegen einer Beteiligung an dem Moorschutzprojekt angeklopft. Dass das Gelände in Immendingen für ein Prüf- und Technologiezentrum in Frage komme, habe sich erst im Oktober 2011 durch die angekündigten Standortschließungen in Folge der Bundeswehrreform eröffnet. Alle Spenden an den Nabu seien projektbezogen erfolgt, es gebe „keinerlei Gegenleistung“.

Bürgermeister Hugger: Naturschutzrecht wird beachtet

Verärgert über die falsche Darstellung ist der Immendinger Bürgermeister Markus Hugger. Das Naturschutzrecht werde bei den Planungen beachtet. Anfang Juli gehe der Bebauungsplanentwurf in die Anhörung. Die Zustimmung der Naturschützer stehe insofern noch gar nicht fest, betonen der Nabu-Chef Baumann, die Landesvorsitzende des BUND Brigitte Dahlbender und Anke Trube, die Geschäftsführerin des Landesnaturschutzverbands LNV. Auf ihren Vorschlag hin habe Daimler die Naturschützer vorzeitig an den Planungen beteiligt. So konnten sie auf wichtige Punkte im Vorfeld aufmerksam machen, loben die Naturschützer. Etwa auf einen Wildwegekorridor, der von der Teststrecke nicht zerschnitten werden dürfe, sagt Trube. „Wir lassen uns keine goldenen Zügel anlegen“, betont Baumann und verweist auf weitere Forderungen: etwa den Erhalt von Wiesen und der Schäferei auf dem Militärgelände.

Wichtig ist dem Immendinger Bürgermeister der Hinweis, dass es sich bei dem 470 Hektar großen Kasernenareal samt Standortübungsplatz um eine vorbelastete Konversionsfläche – Gebäude, Panzerstraßen und Schießbahnen – handle und nicht um landwirtschaftlich genutzte Flächen wie bei anderen Geländen, die als Teststrecke im Gespräch waren. Zudem bringe das Testzentrum Arbeitsplätze – von rund 300 ist die Rede –, zumal rund 800 Soldaten samt ihren Familien wegziehen werden.

Der „Spiegel“ hatte auch einen promovierten Biologen aus dem Allgäu namens Sepp Bauer zitiert, der das Moorprojekt als ökologisch falsch kritisiere und als interner Kritiker die unternehmensfreundliche Haltung seines Verbands mit den Worten „Der Nabu verkauft sich“ anprangere. Auf Nachfrage stellt Bauer klar, er sei nicht deswegen, schon vor „sehr langer Zeit“ ausgetreten. An dem Vorwurf aber hält er fest. Das sei kein spätes Nachtreten, sagt er. Bauer weist den Verdacht zurück, dass es einen Zusammenhang mit der gescheiterten Wiederansiedlung von Birkhühnern im Wurzacher Ried in den 80er/90er Jahren gebe. Damals war er als Leiter des bei Vogelschützern umstrittenen Projekts in den Schlagzeilen: „Naturschützer tötet illegal Habichte“, titelte am 24. Februar 1994 auch die Stuttgarter Zeitung. Der Vorwurf: Bauer habe versucht, die Feinde der Birkhühner zu eliminieren und so das Projekt zu retten. Die Staatsanwalt ermittelte, die Verfahren wurden eingestellt.

Der Nabu-Landesverband habe inzwischen bedauert, beim Moorschutz-Projekt den örtlichen Sachverstand nicht eingebunden zu haben, sagt Bauer. Demnächst werde es Gespräche zum Moorgebiet Bodenmöser geben. Das bestätigt auch der Landesvorsitzende Andre Baumann.

BUND fordert mehr Verantwortung von Unternehmen

Corporate Social Responsibility (CSR) – zu übersetzen mit „unternehmerische Gesellschaftsverantwortung“ – wird bei vielen Unternehmen groß geschrieben. Der Stuttgarter Autobauer Daimler hat schon 2002 entsprechende Grundsätze zur sozialen Verantwortung unterzeichnet und 2008 aktualisiert. Geächtet wird etwa Zwangsarbeit, ausbeuterische Kinderarbeit soll abgeschafft, Diskriminierung vermieden, Chancengleichheit erreicht werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND fordert in seinen „Marktheidenfelder Beschlüssen“ von 1995, aktualisiert 2008, von der Politik, die Unternehmen auf CSR zu verpflichten und etwa öffentliche Aufträge an bestimmte Standards und Kriterien zu binden.

Projekt mit Badenova für mehr Naturschutz

Der Bund selbst hat sich laut der Landesvorsitzenden Brigitte Dahlbender dazu verpflichtet, „keinerlei Projekte mit Unternehmen“ einzugehen. „Wir wollen kein Imageträger für die Industrie sein“, sagt Dahlbender. Dafür stehe das Logo des Bund nicht zur Verfügung. Die einzige Ausnahme sei ein Kooperationsvertrag mit dem Energieversorger Badenova, „ein Experiment“ , sagt Dahlbender. Das Ziel sei, die „regionale Wirtschaft“, sprich den Ausbau der Windenergie zu befördern – unter einer beispielhaften Berücksichtigung eines strengen Natur- und Artenschutzes. „Wir wollen mehr, als im Gesetz steht“, sagt die Bund-Landeschefin, zum Beispiel die Verpflichtung, in der Abenddämmerung die Windräder abzuschalten, sofern dort möglicherweise Fledermäuse durch die Rotoren gefährdet würden.