In Freital bei Dresden trommelt Pegida-Gründer Lutz Bachmann seit Tagen vor einer Flüchtlingsunterkunft zum Protest gegen Asylbewerber. Auch Asylbefürworter machen mobil. Die Stimmung heizt sich immer weiter auf.

Freital - Der asylfeindliche Protest in Sachsen fokussiert sich offenbar neu. Nach dem faktischen Aus von Pegida in Dresden steht nun Freital im Brennpunkt. Bereits seit Anfang März erlebt die knapp 40 000 Menschen zählende Große Kreisstadt südwestlich von Dresden Aufmärsche vor einem früheren Hotel. Denn das Land plant hier eine große Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Nachdem bereits 100 Menschen in Not in dem Gebäude Quartier bezogen, sollen ihnen nun nach und nach weitere 280 Flüchtlinge folgen.

 

Seit die Dresdener Landesdirektion diese Zahlen am Montag bekannt gab, droht jedoch die Lage vor dem früheren Hotel zu eskalieren. Bis zu 160 Asylgegner trommelte der Pegida-Gründer Lutz Bachmann an den vergangenen Abenden zusammen, um gegen die Unterbringung weiterer Ausländer zu protestieren. Bachmann selbst sprach dabei auf einer improvisierten Kundgebung. Zuvor hatte er bereits über Facebook die Stimmung weiter aufgeputscht. Offenbar erwarten seine Anhänger, dass die Behörden unter dem Druck ebenso einknicken wie zu Jahresbeginn im Dresdener Nobelviertel Laubegast, wo ebenfalls ein Hotel als Übergangswohnheim für Flüchtlinge genutzt werden sollte. Anwohnerproteste verhinderten dies schließlich.

Die Stimmung heizt sich immer stärker auf

Doch in Freital machen nun verstärkt auch Pro-Asyl-Demonstranten mobil, was laut Augenzeugen die Stimmung jedoch „jeden Tag stärker aufheizt“. Anfangs schienen die Asylbefürworter zahlenmäßig überlegen, inzwischen wächst aber auch das Protestlager ständig. Es skandiert Parolen wie „Wir wollen keine Asylantenheime“ und „Kriminelle Ausländer raus“ und attackiert jene, die sich ihnen vor dem Hotel in den Weg stellen, als „Linksfaschisten“.

Doch bei Worten bleibt es inzwischen nicht mehr. So war bereits am späten Dienstagabend ein Teilnehmer der Pro-Asyl-Bewegung von einer Glasflasche getroffen worden. In der Nacht darauf wurde anderen Asylbefürwortern, die sich bereits auf der Heimfahrt befanden, an einer Tankstelle von einem der Insassen eines sie verfolgenden Autos per Baseballschläger die Frontscheibe eingeschlagen. Ein junger Mann erlitt dabei leichte Verletzungen.

120 Polizeibeamte müssen Asylbewerber sichern

Die Polizei sieht sich nunmehr gezwungen, die beiden Lager nicht nur vor der Asylunterkunft auseinanderzuhalten, sondern die Pegida/Frigida-Gegner zumindest bis zum Freitaler Bahnhof zu begleiten. Insgesamt ist die Polizei derzeit mit 120 Beamten im Einsatz, um nach Angaben eines Sprechers „rund um die Uhr vor dem Heim und im gesamten Stadtgebiet präsent“ zu sein. Denn für die nächsten Tage werden weitere, anschwellende Proteste und Gegenproteste erwartet.

Ein schlimmes Bild bot sich damit auch den 50 Hilfesuchenden, die am Donnerstag unmittelbar während der Proteste teils mit Kleinkindern in dem früheren Hotel einziehen mussten. Dies sei für Menschen auf der Flucht, die meist schon schlimme Zeiten hinter sich hätten, „beängstigend und moralisch zu verurteilen“, so der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter. Er sehe die Entwicklung der Anti-Asyl-Proteste mit großer Sorge und beobachte „ganz klar eine Radikalisierung des Phänomens“.

Vor allem Linke und Grüne kritisieren inzwischen aber auch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) scharf. Die Vorgänge in Freital seien ein „Höhepunkt des bisherigen Missmanagements“ in Sachen Flüchtlingsunterbringung, heißt es. Das Ministerium reagiere mit solch schnellen Entscheidungen, in die selbst die lokale Politik erst unmittelbar zuvor einbezogen würden, „wenig sensibel“. Damit setze es die „körperliche Unversehrtheit der Flüchtlinge, die Ruhe sowie eine feinfühlige Versorgung und Betreuung brauchen, aufs Spiel“.

Auch in der Landtagsfraktion der Regierungspartei SPD heißt es angesichts der Scharfmacherei, die in Freital gegenüber Asylbewerbern zunimmt, manche „geistigen Brandstifter“ unterschieden sich von „militanten Straftätern nur noch durch die Tat“. Es drohe eine „Normalisierung des Rassismus“ in Sachsen.