Das Führungsduo beim Stuttgarter Flughafen agiert in der Entgeltaffäre eher gegen- als miteinander. Spannungen gibt es schon lange – mit zum Teil bizarren Auswirkungen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Funktioniert die Doppelspitze bei der Stuttgarter Flughafengesellschaft eigentlich? Auf diese Frage musste Winfried Hermann passen. Dazu könne er sich öffentlich nicht äußern, sagte der grüne Verkehrsminister und Aufsichtsratschef dieser Tage vor Journalisten. In dem Kontrollgremium gebe es „bisher keine Diskussion darüber“.

 

Anlass dafür gäbe es allemal. In der aktuellen Affäre um die Flughafenentgelte agieren die beiden Spitzen eher gegen- als miteinander. Die für den Flugbetrieb (Fachbegriff: Aviation) zuständige Geschäftsführerin Arina Freitag war es, die Hermann wegen fragwürdiger Praktiken alarmierte. Ihre Hinweise betreffen vorrangig den früheren Airportchef Georg Fundel, aber auch ihren Co-Geschäftsführer Walter Schoefer. Einige der auffällig großzügigen Vereinbarungen mit Fluggesellschaften, die derzeit untersucht werden, soll er mit unterzeichnet haben. Noch vor den beauftragten Anwälten, deren schriftlicher Bericht Ende Februar erwartet wird, präsentierte Schoefer indes ein eigenes, entlastendes Rechtsgutachten.

Sticheleien waren an der Tagesordnung

Die eine meldet Missstände, der andere bemüht sich um einen Persilschein – dem Klima in der Doppelspitze dürfte das nicht zuträglich sein. Doch es war offenbar schon vorher gespannt, nicht nur zwischen Schoefer und der 2017 von außen gekommenen Managerin Freitag, sondern bereits in den vielen gemeinsamen Jahren mit Fundel. Immer wieder lieferten sie sich wechselseitige Sticheleien, gerne auch vor Publikum. Doch erst jetzt wird bekannt, welch bizarre Blüten ihre Dauerkonkurrenz trieb.

Doppelspitzen gelten generell als schwierig, ob in Wirtschaft oder Politik. Früher oder später beginnen meist die Machtkämpfe, wer den Hut auf hat; die Letztverantwortung ist eben schwer teilbar. Bei Flughafen-Gesellschaften spricht sachlich manches für geteilte Zuständigkeiten. Mit dem eigentlichen Flugbetrieb und dem Drumherum – Immobilien, Geschäfte oder Parkhäuser – gibt es zwei große, unterschiedliche Aufgabenfelder. Um „Aviation“ und „Non-Aviation“ kümmern sich auch an anderen Airports jeweils eigene Geschäftsführer.

Beide Chefs aus dem CDU-Dunstkreis

In Stuttgart hätten Fundel und Schoefer, 1996 und 1999 berufen, auch parteipolitisch gut harmonieren müssen. Beide kommen aus dem Dunstkreis der CDU: der eine als Stuttgarter Wirtschaftsförderer unter Oberbürgermeister Manfred Rommel, der andere als enger Mitarbeiter des Finanzministers Gerhard Mayer-Vorfelder. Doch sie waren persönlich wohl zu verschieden. Fundel gab stets den eigentlichen Flughafenchef, der niemanden an seiner Seite braucht. Als selbstbewusster „Sprecher“ dominierte er das Duo. Der zurückhaltendere Schoefer verwies gerne darauf, dass das Geld vor allem in seinem Bereich verdient werde. Der Flughafen sei eine „Reihe von Parkhäusern mit angeschlossener Landebahn“, witzelte Rommel einst. Beide machten aus Sicht der Eigner ihren Job gut, über ihre Rangeleien sah man hinweg.

Als Fundel 2017 in den Ruhestand trat, wurde Schoefer endlich „Sprecher“ – eine späte Genugtuung für manche erlittene Demütigung. Bei der Abschiedsfeier in der Staatsgalerie konnte „Mister Airport“ in Lob baden. Seine Ära werde „als eine der erfolgreichsten in die Geschichte des Flughafens eingehen“, rühmte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Rund 300 Gäste feierten den Pensionär. Einträchtig lächelten Fundel, Schoefer und Freitag in die Kameras.

Böse Überraschung vom Finanzamt

Später gab es eine böse Überraschung für Fundel: Das Finanzamt forderte vom ihm für die Sause einen fünfstelligen Steuerbetrag. Der von Schoefer geführte Flughafen hatte die Steuern nämlich nicht, wie bei derlei Anlässen üblich, pauschal abgeführt. Eine späte Rache Schoefers? Wegen des Steuergeheimnisses könne man dazu nichts sagen, heißt es.

Der Abgang Fundels brachte für Schoefer neue Herausforderungen. Erstmals beim Flughafen spielte die Parteinähe bei der Suche nach dem Nachfolger keine Rolle, im Vordergrund stand das Fachliche. Zeitweise wurde zwar ein grüner Spitzenbeamter für den Posten gehandelt: der Jurist Florian Stegmann, inzwischen zum Chef der Staatskanzlei avanciert. Doch Arina Freitag, hört man, sei einfach überzeugender gewesen. Ihr Profil mit Erfahrungen beim Frankfurter Flughafen und bei der Bahn habe am besten gepasst. In Stuttgart startete die promovierte Volkswirtin zügig durch, mit Ehrgeiz und Durchsetzungskraft brachte sie frischen Wind in die Airport-Gesellschaft.

Probleme mit der neuen Co-Chefin

Für Schoefer war das erkennbar gewöhnungsbedürftig. Eine Frau als Co-Chefin, noch dazu von außen – damit tat er sich schwer. Anfangs stellte er Freitag in der Öffentlichkeit so gönnerhaft vor, als handele es sich um eine talentierte neue Assistentin. Auch intern soll es Irritationen wegen seines Umgangs mit ihr gegeben haben. Land und Stadt bekamen bald mit, dass es auch in der neuen Doppelspitze vernehmbar knirschte. Eingreifen wollte indes niemand - die beiden sollten sich zusammenraufen, hieß es. Freitags Alarmruf an den Aufsichtsrat wird auch vor diesem Hintergrund gesehen. Womöglich sei es ein erwünschter Nebeneffekt, ihren Kollegen in die Schranken zu weisen. Doch wenn die von ihr benannten Missstände keine Substanz hätten, ginge der Schuss schnell nach hinten los.

Auch für Schoefer hängt viel vom Ausgang der Untersuchungen ab. Ende September läuft sein Vertrag aus, nur zu gerne würde er verlängern, um das Chef-sein noch etwas auszukosten. Ein oder zwei Extra-Jahre schienen zunächst möglich. Doch nun liegt sein Wunsch bis zur Klärung der Affäre auf Eis, allmählich läuft ihm die Zeit davon. Sollte er am Ende nicht völlig sauber dastehen, könnte sich die Frage nach der Doppelspitze neu stellen.

Grüne hätten das Vorschlagsrecht

Für Winfried Hermann und seine Grünen wäre die Antwort darauf nicht ganz einfach. In einer der Nebenabreden zum Koalitionsvertrag mit der CDU haben sie sich das Vorschlagsrecht für die Schoefer-Nachfolge gesichert. Sollten sie dieses ziehen, hört man schon jetzt, werde wie bei Freitag streng fachlich entschieden – und nicht nach Parteibuch.