Flugtaxis sind immer noch eine Wette auf die Zukunft. Der Pionier Lilium nimmt nun eine wichtige Hürde. Eine Zulassung für die USA winkt. Andere Engstellen bleiben.

Kinogänger kennen Flugtaxis seit 1997 und dem Science Fiction-Film „Das fünfte Element“ mit US-Star Bruce Willis als Flugtaxifahrer. Dann wurden aus dem Zukunftstraum vermeintliche Realität und ein Hype, gefolgt von Ernüchterung und Zweifeln. Der Flugtaxipionier Lilium, der 2015 von Wissenschaftlern der Technischen Universität München gegründet wurde und heute seinen Sitz in Amsterdam hat, drohte dieses Jahr aus der US-Technologiebörse Nasdaq zu fallen, weil der Aktienkurs im Tief auf 38 Cent und damit Ramschniveau gefallen war. Diese Gefahr sieht Lilium-Chef Klaus Roewe aber gebannt. „Seit Anfang des Monats sind wir wieder im Einklang mit den Bedingungen der Nasdaq“, betont er. Der Lilium-Kurs notiert mit rund 1,30 Dollar (etwa 1,19 Euro) wieder über der kritischen Schwelle von einem Dollar. Aber Roewe hat noch bessere Nachrichten, die man durchaus als Meilenstein gelten lassen kann.

 

Denn die US-Flugzulassungsbehörde FAA hat nun die entscheidende Basis zur Zertifizierung des siebensitzigen und vollelektrischen Flugtaxis gelegt. „Die FAA-Zulassungsgrundlage weist den Weg unseres Lilium-Jets zur weltweiten Akzeptanz der Luft- und Raumfahrtbehörden“, jubelt Roewe. Da eine solche seit 2020 schon durch das europäische Behördenpendant EASA vorliegt, ist Lilium nach eigenen Angaben der global erste Flugtaxihersteller, der solche Dokumente für senkrecht startende und landende Elektroflieger sowohl für den europäischen wie den US-Markt vorweisen kann.

Ende 2025 soll der weltweite Flugtaxibetrieb beginnen

Das Aufatmen ist hörbar. „Wir sind dankbar, dass wir auf beiden Seiten des Atlantiks großartige Partner gefunden haben, um den Himmel zu elektrifizieren“, kommentiert Technologiechef Alastair McIntosh die Entscheidung. Sie erlaube es, an den Zeitplänen festzuhalten, betont das Start-up. Erster bemannter Flug im zweiten Halbjahr 2024 und Beginn des weltweiten Flugtaxibetriebs Ende 2025, heißt das.

Damit wäre zwar zumindest Volocopter als anderer deutscher Branchenpionier ein Jahr früher kommerziell am Start und mutmaßlich auch von Ende Juli 2024 an bei den kommenden Olympischen Spielen in Paris per Lufttaxi mit von der Partie. Aber es sah schon einmal schlechter aus für Lilium. Grundsätzliche technische Zweifel an der Machbarkeit des eigenen Ansatzes hielten sich lange. Finanziell drohte ebenfalls Bruchlandung. Die Zulassung schien wegen der Neuartigkeit des Lilium-Jets unkalkulierbar. Letzteres ist nun zwar nicht finaler Gewissheit, aber doch seriöser Planbarkeit gewichen.

Die Finanzierung ist noch nicht geklärt

Andere Hürden bleiben. Die fraglos höchste ist die weitere Finanzierung. Rund 250 Millionen Euro verbrennt der Flugtaxipionier im Schnitt jährlich. Ende 2022 waren noch gut 200 Millionen Euro Liquidität in der Kasse. Selbst wenn alles klappt und Ende 2025 das kommerzielle Geschäft und damit das Geldverdienen beginnt, klafft bis dahin noch eine Finanzierungslücke von mehreren hundert Millionen Euro.

„Ich bin fest überzeugt, dass wir unsere Finanzierung klären werden“, sagt Roewe. Im Gespräch ist Geld von der bayerischen Förderbank LfA und der des Bundes KfW oder auch der Einstieg eines Finanziers aus der Autoindustrie nach dem Vorbild des US-Flugtaxikonkurrenten Archer. Dort ist seit Kurzem der Autobauer und Opel-Mutterkonzern Stellantis mit an Bord.

Roewe bleibt zurückhaltend. „Es haben sich etliche Türen für die weitere Finanzierung geöffnet, über ungelegte Eier spreche ich aber nicht gerne“, sagt er nur. Ein Selbstläufer sei die Finanzierung in einem Finanzmarkt, der heute ein ganz anderer als noch vor zwei bis drei Jahren ist, allerdings nicht, räumt der Flugtaximanager ein.

Hohe Nachfrage erwartet

Für Entspannung auf der finanziellen Seite sorgen indessen auch Vorbestellungen, für die neuerdings Anzahlungen fällig werden. Auf mehr als 740 Flugtaxis ist das Orderbuch zuletzt gestiegen, nachdem die chinesische Luftfahrtfirma Heli Eastern für 100 Lilium-Jets eine Absichtserklärung unterzeichnet hatte. Zugleich bringt das den Einstieg in den chinesischen Lufttaximarkt, dem riesiges Wachstumspotenzial zugesprochen wird.

„Was ich an Nachfrage spüre, sollte uns an Produktionsausweitung denken lassen“, sagt Roewe jüngst nach seinen Erfahrungen Luftfahrtmesse von Le Bourget in Frankreich. In Oberpfaffenhofen bei München entsteht derzeit ein Werk für 400 Elektrojets jährlich.

Aber es sei noch nicht so weit, diese Pläne aufzustocken, sagt der früher bei Airbus tätige Manager. Zunächst würden Entwicklung und Zulassung abgeschlossen. „Erst danach gibt es weitere Überlegungen“, sagt Roewe. Zweifel daran, dass es ein Danach auch wirklich geben wird, lässt er nicht erkennen.

Jet mit schwenkbaren Flügeln

Unternehmen
 Lilium wurde vor acht Jahren von einem Studentenquartett gegründet. Mittlerweile haben vor allem Ex-Luftfahrmanager von Airbus das Steuer übernommen. So hat Lilium-Chef Klaus Roewe einmal die Entwicklung des Airbus A 320 neo geleitet. Lilium-Aufsichtsratschef Tom Enders war lange Jahre Vorstandsvorsitzender des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns. Insgesamt beschäftigt Lilium heute rund 850 Frauen und Männer. Die Anlaufverluste liegen bislang bei etwa 900 Millionen Euro.

Alleinstellung
 Kommerziell starten will Lilium gegen Ende 2025 mit vermögenden Privatkunden und Geschäftsreisenden. Von anderen Flugtaxi-Projekten wie Volocopter hebt sich Lilium zweifach ab. Während ein Volocopter einem Minihubschrauber ähnelt, ist der Lilium-Jet ein Kleinflugzeug mit schwenkbaren Flügeln, das mit bis zu 250 Kilometern pro Stunde weit höhere Geschwindigkeiten erreicht und damit mehr Reichweite hat. Zudem hat Lilium Platz für sechs Passagiere. Hubschrauberähnliche Flugtaxis haben nur zwei bis drei Sitzplätze.