Forschende der Universität Stuttgart haben im Roten Meer den Abbau von Plastikpartikeln untersucht: Mit erschreckendem Ergebnis.

Franz Brümmer schüttelt eine Dose voller schwarzer Plastikkrümel. „Das ist Granulat aus zerkleinerten Autoreifen“ erklärt er. Solche Partikel fänden als Füllmaterial für Kunststoffrasenplätze Verwendung, erläutert der Professor am Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme der Stuttgarter Uni. Das werde gerne als nachhaltige Wiederverwertung beworben, garantiere in Wahrheit aber für die Verbreitung von Kunststoffrückständen in der Umwelt. Regenwürmer oder Springschwänze verteilten den Kunststoff weiter. Nun sei die EU dabei, ein Verbot für absichtlich in den Verkehr gebrachtes Mikroplastik durchzusetzen. In sechs Jahren soll es greifen.

 

Mikroplastik findet man überall

Mikroplastik ist überall. Spuren davon wurden in Spinnennetzen nachgewiesen. Sie sitzen im Erdreich, sind in Pflanzen und Tieren nachweisbar und im Menschen. Schon in der Placenta. Rund fünf Milliarden Plastikteilchen treiben allein im Meer.

Vor der Küste Ägyptens bot sich Franz Brümmer, der die Wissenschaftliche Tauchgruppe der Universität Stuttgart in Vaihingen leitet, nun eine einmalige Chance: In einem im Juni 1993 havarierten Frachtschiff voller Plastikgranulat konnte er mit einem Team Daten erheben, die die Alterungs- und Abbauprozesse der Teilchen dokumentieren. Da man genau wisse, wann das Schiff gesunken sei, habe man erstmals zuverlässige Aussagen treffen können, erklärt Franz Brümmer. Die Erkenntnisse der Untersuchung sind ernüchternd: Die Plastikpartikel, die in 18 Metern Tiefe im Laderaum des Wracks über Jahrzehnte Salzwasser und Mikroorganismen ausgesetzt waren, zeigen kaum Anzeichen von Zerfall. „Wir gehen davon aus, dass es mehrere hundert bis tausend Jahre dauern wird, bis solche Pellets weitgehend verschwunden sind“, sagt Institutsmitarbeiter Uwe Schnepf. Ein Problem ist, dass keiner unter den kleinsten Meeresbewohnern Appetit auf den Kunststoff hat, der theoretisch eine gute Kohlenstoffquelle ist, aber aus so eng verzahnten Kohlenwasserstoffgerüsten besteht, dass er für Organismen erst im fortgeschrittenen Zerfallsstadium interessant wird.

An Land geht es schneller

Besser sieht es an der Küste aus. Ein Teil des verschifften Granulats gelangte aus dem Wrack an die Wasseroberfläche und wurde dann an den Strand gespült. „Hier sind Verwitterungsprozesse festzustellen“, berichtet Franz Brümmer. „Vor allem dürfte das der UV-Strahlung zuzuschreiben sein.“ Dennoch werde sich der Zerfall auch an Land noch über Jahrzehnte hinziehen.

Mikroplastik wird durch die Auflösung in kleinere Partikel nicht unbedenklicher. Durch Wind und andere Einflüsse verteilt es sich mit dann noch flächendeckender. Außerdem nimmt die Gesamtmasse nicht ab, sie verteilt sich nur anders. Reines Plastik sei meist gar nicht das Problem, merkt Brümmer an: „Man hat an Wasserflöhen nachgewiesen, dass der unbehandelte Stoff wieder ausgeschieden wird, ohne Schäden zu verursachen. Sobald Additive wie ein UV-Schutz hinzukommen, sieht das ganz anders aus.“ Plastik wirke aufgrund seiner Beschaffenheit wie ein Schwamm auf Chemikalien, die sich in der Umwelt befinden. Der „chemischen Cocktail“ im Großteil der Teilchen sei entweder von Anfang an vorhanden oder lagere sich im Laufe der Zeit ab.

Es gibt mittlerweile zahlreiche Alternativen

Vom Kunstfaserpulli in der Waschmaschine bis zum Autofahren: Für Mikroplastik gibt es zahlreiche Ursachen. Uwe Schnepf dreht am Deckel einer PET-Wasserflasche und stellt fest, auch dabei entsteht Abrieb. Franz Brümmer sieht die Notwendigkeit, deutlich mehr zu unternehmen, um die Belastung mit Kleinstkunststoff einzudämmen. Dass das Land Sportvereinen, die bei der Anlage von Plätzen auf Plastikgranulat setzen, Fördergelder gestrichen habe, sei ein Schritt in die richtige Richtung, findet er. Zumal die Alternative für Kunststoffrasenfreunde längst gefunden ist: Kork oder geschredderte Olivenkerne.