Der Philosoph Philip Kitcher von der Columbia-Universität in New York hat dazu einen Vorschlag ausgearbeitet. Sein Beispiel ist die Forschung an einem Zusammenhang von Hautfarbe und Intelligenz. Diese Forschung, argumentiert er, habe – ob es die Wissenschaftler wollen oder nicht – gesellschaftliche Sprengkraft. Allein die Tatsache, dass Psychologen die Intelligenz von farbigen Landsleuten untersuchen, könne rassistische Vorurteile verstärken. Im Gegenzug sei der wissenschaftliche Ertrag absehbar gering, daher falle die Abwägung gegen ein solches Forschungsprojekt aus.

 

Im Fall des Schufa-Labors müsste die Abwägung so formuliert werden: Allein die Tatsache, dass die Optionen einer erweiterten Bonitätsprüfung ausgelotet werden, kann in der Öffentlichkeit Schaden anrichten – und dieser Schaden ist größer als der zu erwartende wissenschaftliche Ertrag.

Der wissenschaftliche Ertrag ist nicht ohne, denn das automatisierte Zusammentragen von Informationen aus dem Netz ist ein zukunftsträchtiges Feld. Wer hätte nicht gerne eine Suchmaschine, die auf die Frage „Wie entwickeln sich die Exporte Deutschlands?“ nicht eine Million Trefferseiten angibt, sondern sich aus den verfügbaren Informationen die Antwort zusammensucht. Zudem untersucht Facebook selbst, wie die Daten seiner Nutzer kommerziell verwertet werden können. Da erscheint es nicht abwegig, die Chancen und Risiken in einem öffentlichen Forschungsprojekt – das Hasso-Plattner-Institut versichert, dass alle Forschungsergebnisse publiziert worden wären – zu untersuchen.

Schufa und Facebook – eine unbeliebte Kombination

Und der potenzielle Schaden, den das Projekt angerichtet hätte? Man kann zur Antwort auf die öffentliche Erregung verweisen, die zeigt, wie problematisch die Forschung gesehen wird. Diese Erregung muss zwar nicht von Dauer sein: Als Microsoft seine Konkurrenz zu Street View ankündigte, ließen schon viel weniger Menschen ihre Häuser verpixeln (die StZ berichtete). Doch unter Verbrauchern macht sich mit Blick auf ihre Privatsphäre im Netz ein Gefühl der Machtlosigkeit breit, auch wenn sie viele Daten freiwillig einstellen. Auf dieses Gefühl, so kann man fordern, muss auch die Wissenschaft Rücksicht nehmen. Daher wird die Forschungsfreiheit durch das Ende des Schufa-Labors nicht angekratzt.

Auch wenn niemand ausdrücklich gefordert hat, das Projekt am Hasso-Plattner-Institut zu beenden, stellt sich doch die Frage, ob es richtig war von der Politik, Druck auf die Wissenschaftler auszuüben? Es ist möglich, mit Ja zu antworten, doch die Begründung stützt sich auf eine Prämisse, die womöglich nicht alle Kritiker des Schufa-Projekts teilen: Es war richtig, das Forschungsprojekt zu beenden, weil es dazu beigetragen hätte, das automatisierte Anlegen von Personenprofilen salonfähig zu machen. Aber eins nach dem anderen.

Das Problem mit der Forschungsfreiheit ist nicht, dass man sie nicht einschränken dürfte, sondern dass man ein gewichtiges Argument dafür braucht. Um ein Forschungsprojekt zu untersagen, genügt es nicht, dieses Projekt langweilig, uninteressant oder hoffnungslos zu finden, denn diese Entscheidung darf die Wissenschaft allein treffen. Auch wenn man sich vorausschauend dagegen wendet, dass die Schufa einmal auf Daten aus sozialen Netzwerken zugreifen könnte, spricht das noch nicht dagegen, diese Option von der Wissenschaft nach technischen, juristischen und gesellschaftlichen Kriterien prüfen zu lassen. Um diese Prüfung zu stoppen, muss man sagen, warum sie schaden würde.

Gesellschaftliche Verantwortung schlägt Forschungsfreiheit

Der Philosoph Philip Kitcher von der Columbia-Universität in New York hat dazu einen Vorschlag ausgearbeitet. Sein Beispiel ist die Forschung an einem Zusammenhang von Hautfarbe und Intelligenz. Diese Forschung, argumentiert er, habe – ob es die Wissenschaftler wollen oder nicht – gesellschaftliche Sprengkraft. Allein die Tatsache, dass Psychologen die Intelligenz von farbigen Landsleuten untersuchen, könne rassistische Vorurteile verstärken. Im Gegenzug sei der wissenschaftliche Ertrag absehbar gering, daher falle die Abwägung gegen ein solches Forschungsprojekt aus.

Im Fall des Schufa-Labors müsste die Abwägung so formuliert werden: Allein die Tatsache, dass die Optionen einer erweiterten Bonitätsprüfung ausgelotet werden, kann in der Öffentlichkeit Schaden anrichten – und dieser Schaden ist größer als der zu erwartende wissenschaftliche Ertrag.

Der wissenschaftliche Ertrag ist nicht ohne, denn das automatisierte Zusammentragen von Informationen aus dem Netz ist ein zukunftsträchtiges Feld. Wer hätte nicht gerne eine Suchmaschine, die auf die Frage „Wie entwickeln sich die Exporte Deutschlands?“ nicht eine Million Trefferseiten angibt, sondern sich aus den verfügbaren Informationen die Antwort zusammensucht. Zudem untersucht Facebook selbst, wie die Daten seiner Nutzer kommerziell verwertet werden können. Da erscheint es nicht abwegig, die Chancen und Risiken in einem öffentlichen Forschungsprojekt – das Hasso-Plattner-Institut versichert, dass alle Forschungsergebnisse publiziert worden wären – zu untersuchen.

Schufa und Facebook – eine unbeliebte Kombination

Und der potenzielle Schaden, den das Projekt angerichtet hätte? Man kann zur Antwort auf die öffentliche Erregung verweisen, die zeigt, wie problematisch die Forschung gesehen wird. Diese Erregung muss zwar nicht von Dauer sein: Als Microsoft seine Konkurrenz zu Street View ankündigte, ließen schon viel weniger Menschen ihre Häuser verpixeln (die StZ berichtete). Doch unter Verbrauchern macht sich mit Blick auf ihre Privatsphäre im Netz ein Gefühl der Machtlosigkeit breit, auch wenn sie viele Daten freiwillig einstellen. Auf dieses Gefühl, so kann man fordern, muss auch die Wissenschaft Rücksicht nehmen. Daher wird die Forschungsfreiheit durch das Ende des Schufa-Labors nicht angekratzt.

Doch es bleibt die Frage, ob der Protest die Richtigen erwischt hat. Der Sprecher des Hasso-Plattner-Instituts, Hans-Joachim Allgaier, wehrt sich gegen den Verdacht, es hätte ein Überwachungsprogramm entwickelt werden sollen. Übersetzungsprogramme würden zeigen, wie schwer es sei, den Sinn eines Textes automatisiert zu erfassen (siehe auch den Beitrag „Ein Computer als Dolmetscher“). „Es ist einfach absurd zu vermuten, Informatikwissenschaftler würden der Schufa helfen, derartig ungenaue Texterkennungssoftware über die Zahlungsfähigkeit eines Menschen mitentscheiden zu lassen“, sagt Allgaier.

Wenn das stimmt – und die Behauptung wird bis jetzt nicht bestritten –, dann hätte sich der Schaden des Forschungsprojekts in Grenzen gehalten. Doch Allgaier beklagt, dass keiner der Kritiker angerufen und gefragt habe, ob es sich tatsächlich so verhalte wie dargestellt. Der Fall dürfte daher manchem Wissenschaftler eine Warnung sein: In der öffentlichen Debatte spielen die wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse nur eine untergeordnete Rolle. Da genügt die Kombination der ungeliebten Firmen Schufa und Facebook, um einen Sturm der Entrüstung auszulösen.

Chronik eines sehr kurzen Forschungsprojekts

Vertrag:
Zum 1. April 2012 hat das Hasso-Plattner-Institut mit der Schufa einen Vertrag über ein dreijähriges Forschungsprojekt abgeschlossen. Inzwischen sind ein leitender Wissenschaftler und zwei Mitarbeiter eingestellt worden. Für das Projekt sollte die Schufa 200.000 Euro zur Verfügung stellen.

Bericht:
NDR-Info berichtete am 7. Juni von einer Ideenliste dieses Projekts: „Aus unzähligen Quellen im Internet sollen gezielt Daten über Verbraucher gesammelt werden.“ Der Sprecher des Hasso-Plattner-Instituts entgegnet, dass nicht geplant gewesen sei, personenbezogene Daten der Schufa zur Verfügung zu stellen.

Kündigung:
Nach einer Welle der Empörung hat das Hasso-Plattner-Institut am 8. Juni den Vertrag mit der Schufa gekündigt. Die Forschungsarbeiten hätten noch nicht begonnen, sagt der Sprecher des Instituts. Die Mitarbeiter würden nun innerhalb des Instituts andere Aufgaben übernehmen.