Die Veranstalter hatten mit diesem Ansturm nicht gerechnet. Tausende von Menschen sind am Freitag bei der Fridays-for-Future-Demo in Stuttgart dabei gewesen.

Volontäre: Julika Wolf (jwo)

Stuttgart - Dass Fridays for Future als Schülerbewegung angefangen hat, davon war bei den Protesten auf dem Stuttgarter Schlossplatz an diesem Freitag kaum mehr etwas zu spüren. Vertreter von Gewerkschaften, Unternehmen und der Kirche demonstrierten genauso wie Schüler und Studenten. Die Veranstalter sprachen von mehr als 20 000 Teilnehmern. Initiativen wie „Entrepreneurs for Future“ und „Grandparents for Future“ waren mittendrin – und hielten ihre Plakate ebenso überzeugt in die Höhe wie die Schüler.

 

Auch in Stuttgart hat der Aufruf zum weltweiten Klimastreik also gefruchtet. Begonnen hatte die Demonstration um 12 Uhr an drei Plätzen: Vom Hölderlinplatz, vom Erwin-Schoettle-Platz und vom Kernerplatz machten sich drei Züge auf zum Schlossplatz, wo von 13.30 Uhr an eine Kundgebung stattfand. Schon zu Beginn skandierten die Teilnehmer Parolen wie „We are unstoppable, another world is possible“. Mitorganisatorin Lucia Parbel kündigte an, es werde der „größte Klimastreik, den die Welt je gesehen hat“. Mit Pfeifen und Trommeln zogen die Demonstranten durch die Innenstadt – ein Lastenrad mit Baum an Bord war ebenfalls Teil der Demo. „Auch die Dinos dachten, sie hätten noch ewig“ und „Opa, was ist ein Schneemann“ stand auf den Plakaten.

Auch Grundschüler sind dabei

Auf dem Weg zum Schlossplatz zogen die Demonstranten viel Aufmerksamkeit auf sich. Die Polizei hatte die Straßen bereits zuvor abgesperrt und begleitete den Zug – mehrspurige Straßen waren größtenteils zu, Reisende mussten sich vor dem Hauptbahnhof mit ihren Koffern durch die Menschenmenge kämpfen, um den Zug zu erreichen. Der weltweite Streik brachte internationale Atmosphäre in die Landeshauptstadt: Deutsche, englische und schwäbische Plakate waren zu sehen, manche Demonstranten riefen ihre Parolen sogar auf Französisch.

Impressionen der Stuttgarter Klima-Demo im Video:

„Wir haben heute Morgen eine Meldung gelesen, dass 300 000 Leute in Australien demonstrieren“, sagte David Bald aus Sindelfingen. Er ist mit seiner Schwester Nora nach Stuttgart gekommen. „In Sindelfingen gibt es auch eine Ortsgruppe, aber es ist natürlich schon beeindruckender, die große Masse hier zu sehen“, sagte Nora. Toll sei, dass Deutschland bei den vielen Demonstrationen weltweit ganz vorne dabei sei. Sogar die Kleineren setzten sich für das Klima ein: Einige acht- und neunjährige Schüler der Ameisenbergschule machten mit Geschrei auf sich aufmerksam. „Ich habe ihnen von der Klimademonstration erzählt, weil ich das Thema wichtig finde“, erklärte ihre Lehrerin Axana Graf. Daraufhin wollten die Schüler unbedingt mitlaufen – durften sie, zumindest für die ersten paar Minuten. Auch Fritz Sackmann ist wegen der Veranstaltung aus dem Kreis Freudenstadt nach Stuttgart gekommen. „Das ist die erste Demo meines Lebens“, sagte der Senior, in dessen Rucksack ein Pappstück mit der Aufschrift „Grandparents for Future“ steckte. „Ich selbst habe nicht mehr so viel Zukunft vor mir.“ Aber es sei wichtig, Flagge zu zeigen.

Das fanden offensichtlich auch viele andere. Das Programm auf dem Schlossplatz bekamen jedenfalls nicht alle von Anfang an mit. Denn: „Wir sind 20 000 Leute!“, schrie eine Aktivistin bei der Ankunft von zwei Demonstrationszügen von der Lkw-Bühne. Die Organisatoren hatten mit so vielen Teilnehmern nicht gerechnet.

Eine Wende, größer als 1989?

Der zwölfjährige Quentin zählte bei der Kundgebung auf, warum Argumente wie Arbeitsplätze und Finanzen, die die Regierung oft als Widerspruch zum Klimaschutz vorgebe, für ihn nicht zählen: nichts sei so wichtig wie das Leben von knapp acht Milliarden Menschen. Und die gingen nun mal zugrunde, wenn das Klima sich weiter erwärme. Zwei Aktivistinnen von Fridays for Future sprachen von einem Tag, der in die Geschichte eingehe. „Wir befinden uns in einer Wende, die größer ist als 1989. Dieses Mal müssen die Mauern in unseren Köpfen fallen.“ Auch andere Organisationen, zum Beispiel der Verein „Mehr Demokratie“, kamen zu Wort und sprachen sich für eine soziale Klimapolitik, eine durchdachte und ökologische Wirtschaft oder direkte Demokratie durch Volksabstimmungen aus.