Vom blonden Hünen wollen die meisten nur das Eine: ein Selfie! Kim Tränka, der schwule Bachelor von RTL, bringt bei Gaydelight seine Fans zum Kreischen. Wir sprachen mit ihm über sein Leben als queerer Influencer und warum er sich nicht auf Männer festlegt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Das erste Mal kommt im Leben zuweilen spät. Kim Tränka, der Prince Charming aus der gleichnamigen RTL-Datingshow von 2021, musste 32 Jahre alt werden, um sein erstes Mal in Lederhosen zu erleben.

 

Erst wenige Stunden vor der Party Gaydelight im Zelt des Wasenwirts hat sich der gebürtige Niedersachse und heutige Wahl-Kölner am Donnerstag das Trachten-Outfit fürs Stuttgarter Frühlingsfest besorgt. Bisher brauchte er so etwas nicht, weil er noch nie in seinem Leben ein Bierfest besucht hat, weder das Oktober- noch das Volksfest. Denn der gelernte Automobilkaufmann trinkt aus Prinzip keinen Tropfen Alkohol.

Die Community feiert die Vielfalt der Stadt

Eine völlig nüchterne Nacht in der höchsten Orkanstufe des Wasenwirt-Zelts, wenn die Rainbow-Community heftig tanzt und grölt, ihr Leben genießt und die Vielfalt Stuttgarts feiert – keine leichte Aufgabe ist’s, die sich der abstinente Kim Tränka bei seinem ersten Wasenbesuch vorgenommen hat. „Die Lederhose fühlt sich gut an“, sagt der schwule Bachelor mit den langen blonden Haaren, „sie ist sanft, gar nicht so hart und steif, wie ich dachte – und sie macht einen schönen Hintern.“

Früher hat der Vater eines fast 14-jährigen Sohns davon gelebt, Autos zu verkaufen. Heute verdient er als Influencer mindestens genau so viel. Er macht Werbung für Kosmetik und lässt sich bundesweit von Veranstaltern buchen, damit er in den sozialen Medien für sie trommelt und postet, wie schön es war.

Gaydelight soll nicht zum Greydelight werden

Die Partyreihe Gaydelight, die nächstes Jahr ihren 25. Geburtstag auf dem Wasen feiert, soll nicht zum Greydelight werden, zum Treffen der Grauhaarigen. „Viele Gäste sind mit uns alt geworden“, sagt Veranstalter Theo von Pagliarucci, der Ex-Schwager des heutigen Wasenwirt-Chefs Fritzi Weeber. Ein junger, schöner Influencer soll also helfen, ein junges Publikum anzulocken. Also muss Kim Tränka ran, der das gern macht. Früher war er Tanzsportler, da lernt man das Lächeln. Joachim Llampi habe ihm gesagt, er könne nicht als Promi bei „Let’s Dance“ mitmachen, weil er zu gut tanze.

Wenn der Hüne durchs Zelt tänzelt, kommt er nicht weit. Von allen Seiten wollen die Gäste Selfies (auch MdL Oliver Hildenbrand und seine Parteifreundin Brigitte Loesch von den Grünen). Je später der Abend, desto lauter und wilder das Schunkeln. Ein großes Umarmen, viele kennen sich. Krüge knallen gegeneinander.

Nur einer hält sich beim Maßstemmen raus: der Kim aus Köln. Mit einer Größe von 196 Zentimetern bietet Prince Charming mehr als ein Gardemaß und fällt auf, egal, wo der Lederhosen-Debütant steht. Ob er noch mit Maurice zusammen ist, wird er gefragt, also mit jenem jungen Mann, den er sich in der mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten RTL-Datingshow nach vielen Folgen am Ende ausgesucht hat? „Nein, ich bin seit einem Jahr Single“, lautet seine Antwort. Mit Maurice ist er nach der Sendung in Köln zusammengezogen. Doch es hat nicht funktioniert. Für ein Paar sei es nicht leicht, „wenn du immer unter Beobachtung stehst“. Dies sei der Nachteil des Ruhmes durch eine Fernsehshow.

Selbst für einen schönen Mann ist die Suche nach einem Partner nicht leicht. „Dieses Wanderheuschreckenprinzip liegt mir nicht“, sagt er, „dieses Rumgehüpfe von einem zum anderen.“ Kim Tränka sucht die große Liebe, keine Affären, wie sie Teile der Community bevorzugten, die sich nicht binden wollten. Der Bachelor weiß auch nicht, ob es bei ihm immer ein Mann sein muss, in den er sich verliebt. „Ich passe in keine Schublade und in kein bestimmtes Label“, versichert er. Schon einmal hat er sich in eine Frau verliebt, in die Mutter seines Sohnes. Dies will er nicht für die Zukunft ausschließen. In seinem Leben lässt er sich in keinem Bereich einschränken.

Klar, ein Mann wisse besser, was einem Mann sexuell guttue, fährt Tränka fort. Doch auch der Sex mit einer Frau hat für ihn seine Reize. Der 32-Jährige vergleicht dies mit anderen Sinnesgenüssen – mit dem Essen. „Ich mag schon mal einen Hamburger bei McDonalds“, sagt er, „aber ein Steak ist am Ende doch besser.“ In diesem Vergleich steht die Frau für den Hamburger, der Mann für das Steak. Unser Interview wird immer wieder unterbrochen, weil erneut Selfies verlangt werden.

Bei Gaydelight spielt DJ Michael Leupold „mehr Schlager“

Auf der Bühne wird derweil „Er gehört zu mir“ gespielt, seit vier Jahrzehnten eine Hymne der Community. Immer mehr stehen auf den Bänken. Es wird immer heißer und lauter. Bei Gaydelight, sagt DJ Michael Leupold, muss er „mehr Schlager“ spielen als bei anderen Wasenpartys. „Und überall geht ,Bumsbar’ gut, der neue Song von DJ Robin, Schürze und Ikke Hüftgold“, wundert sich der SWR-3-Mann, „kaum, dass der neue Ballermann-Hit draußen ist, können ihn alle mitsingen.“

Auf der Bühne eröffnen CSD-Sprecher Detlef Raasch und die „Schwulen-Mutti“ Laura Halding-Hoppenheit offiziell die Party. „Wir zeigen heute, dass Stuttgart bunt ist“, ruft die Wirtin, eine Club-Legende, unter lautem Beifall. Ihr Dank gilt dem Veranstalter Theo von Pagliarucci, der vor bald 25 Jahren den Mut gehabt habe, auf dem Wasen mit der Community zu feiern, was damals auf Widerstand gestoßen sei.

Gemeinsam gegen Homophobie

Die überschäumende Lebensfreude des bunt gemischten Publikums gefällt Kim Tränka sehr gut, auch wenn er, vielleicht als einziger im Zelt, völlig nüchtern bleibt im Durchmarsch aller Schlager- und Wasenhits. Dass der CSD in Stuttgart in diesem Jahr Gewalt gegen queere Menschen und den Kampf gegen Homophobie zum Thema macht und vor den Gefahren warnt, findet Prince Charming gut. „Da müssen wir alle zusammenstehen“, sagt er. Schönsein allein reicht ihm nicht. Er will als Gesicht der Community für diese auch etwas tun.

Mit seinen fast zwei Metern habe er bisher noch nie Gewalt gespürt, auch keine Diskriminierung in seinem früheren Beruf in der Autobranche. „Dies liegt aber vielleicht auch daran, dass ich eher heteronormativ wahrgenommen werde“, vermutet der 32-Jährige. Einteilungen aber lehnt er ab. Ob Hetero, schwul oder was auch immer – darauf komme es in der heutigen Zeit doch nicht mehr an. Die Menschen bräuchten kein Label, sollten einfach leben, wie sie sind, ohne sich erklären zu müssen. Kaum hat Kim Tränka dies gesagt, steht der nächste Selfiejäger vor ihm. Und schon wieder lächelt er.