Gedächtnisausstellung in Ditzingen „Ohne das Malen konnte er nicht leben“

Dieses Jahr hätte der Ditzinger Künstler Heinrich Eberhardt seinen 100. Geburtstag gefeiert. Dass vor neun Jahren ein Hochwasser den von der Stadt angekauften Bilder-Bestand schwer in Mitleidenschaft zog, musste er nicht mehr miterleben. Jetzt gibt es eine Gedächtnisausstellung für ihn.
Ditzingen - Auf die Frage, was ihrem Vater diese Ausstellung wohl bedeuten würde, schmuggelt sich das Präsens in Magda Schiefers Antwort. „Er freut sich. Wenn man ein Leben lang arbeitet, möchte man das Ergebnis der Welt ja zeigen, und jetzt kommen all die Schätze wieder zu Bewusstsein“, sagt sie. Angesichts der vielen Bilder, die den Raum füllen, ist ihr verstorbener Vater sehr gegenwärtig. Auch durch sein Selbstporträt, eine feine Zeichnung von 1947. Ernst ist der Blick des damals 28-Jährigen. Er hat den Krieg überlebt und ist zum Entstehungszeitpunkt freischaffender Maler und Grafiker.
Die Qual der Wahl
100 Jahre wäre der Künstler, der seine Bilder mit „HED“ (Heinrich Eberhardt Ditzingen) signierte, am 13. September geworden. Für den Kultur- und Kunstkreis Ditzingen stand fest: Dem 2003 verstorbenen Mitbegründer und Ehrenmitglied gebührt aus diesem Anlass eine Gedächtnisausstellung in seiner Heimatstadt. Mit seinen Töchtern Magda und Heidrun Schiefer traf das Vorstandsteam die Auswahl für die Retrospektive in der Städtischen Galerie. Ein Großteil von Eberhardts Werk, sofern es nicht in den Wohnzimmern seiner Liebhaber in Ditzingen und Umgebung hängt, lagert noch in seinem früheren Wohnhaus. Der Verein hatte für die Ausstellung also die Qual der Wahl.
In der Galerie haben kaum mehr als 40 Bilder Platz. Diese Kostproben aus Eberhardts Schaffen zeigen seine Entwicklung und geben einen Eindruck von seiner künstlerischen Vielseitigkeit und technischen Versiertheit. Die stilsichere Tusche-Pinselzeichnung beherrschte er ebenso wie das flirrende Aquarell oder pastose Ölmalerei. Auch in der Motivwahl war er aufgeschlossen. Oft spielten die unberührte oder die kultivierte Landschaften seiner Heimatregion eine Rolle, teils aus eigenwilligen Perspektiven. In späteren Jahren fand er immer stärker zu einer moderneren Bildsprache, die von Struktur, Rhythmus und Abstrahierung durchdrungen ist.
„Das Malen war existenziell für ihn“
Mehr Bilder, als in der Galerie Platz finden, zeigt der Katalog, den der Kultur- und Kunstkreis zeitgleich zur Ausstellung aufgelegt hat. „Ohne den Anstoß und die Unterstützung des Vereins wäre das alles nicht gegangen“, sagt Magda Schiefer. Die Familie sei sehr froh über die Initiative und die Würdigung, die der Vater erfahre. Fast sein ganzes Leben verbrachte Heinrich Eberhardt in Ditzingen. Er machte eine Ausbildung im Malerhandwerk und studierte von 1938 bis 1940 in Stuttgart an der Akademie der Bildenden Künste, bevor er als Soldat nach Russland an die Front musste.
Die Ausstellung zeigt erstmals Bleistiftzeichnungen aus seiner Kriegszeit: Soldaten am Rand des Schützengraben beim Kartenspiel oder in Dörfer einrückende Panzer. „Den Krieg unverletzt überlebt zu haben, empfand er als großes Geschenk“, sagt Magda Schiefer. Später lehrte er an der Fachschule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart und im Seminar für Bildtechnik des Verbandes bildender Künstler. Vor allem aber war er selbst ständig schaffend zugange. „Unser Vater konnte ohne Malen und Zeichnen nicht leben“, erinnern sich die Schwestern Schiefer. „Das war existenziell für ihn. Damit sind wir aufgewachsen.“ Zu vielen Bildern haben sie eine persönliche Beziehung – weshalb nur manche verkäuflich sind.
Das unheilvolle Hochwasser und seine Folgen
Auch die Stadt Ditzingen kaufte vor zehn Jahren 49 Werke von Heinrich Eberhardt. Doch das Hochwasser im Jahr 2010 richtete 48 davon böse zu, 14 zerstörte es komplett. Die Bilder, die restauriert werden konnten, befinden sich jetzt im Museumsdepot in Hirschlanden. Heinrich Eberhardts Werke stellten „einen bedeutenden Schwerpunkt der städtischen Sammlung dar“, sagt der Ditzinger Oberbürgermeister Michael Makurath, „er ist einer der profiliertesten Künstler unserer Stadt.“ Eberhardt verdiene es, mit einer Jubiläumsausstellung geehrt zu werden. „Ich freue mich sehr, dass wir einen so regen und aktiven Kultur- und Kunstkreis haben, der die Erinnerung ihn hochhält.“
Bis zum 10. November ist die Schau zu sehen. An diesem Montag um 20 Uhr gibt es in der Galerie einen Gesprächsabend über den Künstler, der sich bis zum Schluss nicht von der Arbeit hatte abhalten lassen: Noch in der Klinik in Stuttgart zog es Heinrich Eberhardt mit dem Skizzenblock zur hoch gelegenen Lounge, wo er den Blick über die Dächer der Stadt festhielt.
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