Raffaele Imperiale, mit Drogenhandel reich geworden, wird in Neapel derzeit der Prozess gemacht. Ein ungewöhnliches Geschenk soll die Richter milde stimmen.

Es ist kein Gangster-Spitzname, er heißt wirklich so: Imperiale, Vorname Raffaele. Zu seinen besten Zeiten führte der Camorra-Boss ein weltweit tätiges Drogenimperium, das monatlich direkt von den kolumbianischen Drogenkartellen 300 bis 400 Kilogramm Kokain importierte und dann en gros an Abnehmer in halb Europa weiterverkaufte.

 

Einen Teil der Drogengewinne investierte Imperiale in Gold, Diamanten, Bitcoins und Luxusimmobilien in Spanien und Dubai. Dahin hatte er sich auch zuletzt vor den italienischen Ermittlern in Sicherheit gebracht.

Künstliche Insel als Geldanlage

In Dubai hatte der Camorra-Boss aus Castellammare di Stabia, einem heruntergekommenen Vorort von Neapel, vor rund zwanzig Jahren für zwölf Millionen Dollar auch eine der zahlreichen künstlichen Inseln gekauft, die die Ölscheichs vor der Küste der Emirate hatten erstellen lassen. Heute ist die Insel ein Mehrfaches wert. Imperiale, der gerne in großen Maßstäben dachte, beauftragte die Stararchitektin Zaha Hadid mit dem Bau von zehn Luxusvillen. Kostenpunkt: etwa 200 Millionen Dollar.

Weil Hadid 2016 starb, wurde nichts aus dem Projekt. Nun will Imperiale die künstliche Insel dem italienischen Staat vermachen, wie der neapolitanische Staatsanwalt Maurizio De Marco während des Prozesses gegen Imperiale zur Überraschung des Gerichts verkündete. Imperiale war im Jahr 2021 von Interpol in Dubai verhaftet und im März 2022 an Italien ausgeliefert worden, wo ihm seither der Prozess gemacht wird.

Zwei gestohlene van Goghs zu Hause versteckt

Weil er laut eigenen Aussagen wegen des jahrelangen Versteckspiels mit der Justiz „müde“ war und weil er sein „Leben ändern“ wollte, beschloss der 59-Jährige, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten. Der Staatsanwalt vermutet freilich auch noch ein anderes Motiv: Für Mafiosi, die auspacken, gibt es in Italien kräftige Strafrabatte. Dasselbe erhoffe sich der Gangster nun wohl auch von seinem Geschenk: Es sei „unbestreitbar“, dass die Abtretung der Insel ähnliche Gründe habe wie sein kooperatives Verhalten während des Prozesses, betonte De Marco.

Mit seinem Insel-Geschenk macht Imperiale nicht zum ersten Mal Schlagzeilen. Bereits im Jahr 2016, als er in Dubai noch ein mehr oder weniger ungestörtes Leben führte, war der Camorra-Boss international bekannt geworden, weil die Polizei in einem geheimen Versteck in seinem Geburtsort Castellammare di Stabia zwei Gemälde des niederländischen Malers Vincent van Gogh entdeckt hatte.

Diese waren im Jahr 2002 aus dem Van-Gogh-Museum gestohlen worden. Imperiale hatte die beiden Gemälde – „Strand von Scheveningen bei stürmischem Wetter“ sowie „Kirche von Nuenen mit Kirchgängern“ – gekauft, als er noch in Amsterdam lebte. Er soll die beiden Kunstwerke, deren Wert heute auf über 100 Millionen Dollar geschätzt wird, für läppische 350 000 Dollar erstanden haben – direkt von den Kunsträubern.

Was mit der Insel passiert, ist offen

Die Gemälde wurden kurz nach ihrem Fund in Castellammare di Stabia feierlich an das Van-Gogh-Museum in Amsterdam zurückgegeben und sind dort seit 2019 wieder für das Publikum zugänglich. Was mit der künstlichen Insel vor Dubai geschehen soll, ist dagegen noch offen. Der italienische Staat hat von der Mafia zwar im Laufe der Jahre schon riesige Vermögenswerte konfisziert, darunter auch Tausende von Immobilien – aber eine Insel in den Golfstaaten fehlt bis jetzt noch in der Sammlung.