Speisekarten sind kein Überbleibsel aus vergangenen Tagen, sondern Kulturgut, das es zu bewahren gilt.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Woran erkennen Sie ein gutes Restaurant? An den Tätowierungen des Kochs? Am Instagram-Profil? An der floralen Tisch-Deko? Ich verlasse mich zuallererst auf die Speisekarte, recherchiere zunächst, was das Lokal anbietet. Sage mir, was dort gekocht wird, und ich sage dir, wie du dort isst. Diese Rechnung geht nicht immer auf, aber die Richtung stimmt. Natürlich geht es da um die Inhalte: Wie viele Gerichte sind es, wie ist die Ausrichtung.

 

Doch eine Speisekarte ist weit mehr als eine Liste der angebotenen Gerichte. Eine Speisekarte ist eine Visitenkarte des Hauses. Und sie hat Tradition. „Die moderne Speisekarte tauchte irgendwann im ausgehenden 18. Jahrhundert erstmals auf. Nun konnte man ,à la carte‘ dinieren, nach der Karte“, schreibt Steven Heller in dem wunderbaren Bildband „Menu Design in America“ (erschienen im Taschen-Verlag). Und mit den typografischen Neuerungen veränderte sich auch immer wieder die Speisekarte.

Eine Entwicklung der letzten Jahre ist nicht nur das bargeldlose Zahlen, sondern auch das kartenlose Lokal. Auf dem Tisch sind kleine Schildchen mit sogenannten QR-Codes. Man nimmt sein Smartphone, hält die Kamera drauf und schwuppdiwupp ploppt die Speisekarte auf. Klar, das ist alles wahnsinnig praktisch, spart Ressourcen, aber es ist halt auch wahnsinnig lieblos.

Der erste Gruß des Hauses

Wenn man das große Glück hat, in gehobenen Restaurants einzukehren, dann ist die Karte quasi schon der erste Gruß des Hauses, bevor überhaupt der Aperitif serviert wird. Gourmets sammeln die Menükarten, bewahren sie auf wie kleine Schätze. Wenn ich die Karten der Restaurants anschaue, deren Karten ich aufgehoben habe, erinnern die mich sofort an den Abend, bringen unverzüglich den Genuss zurück.

Und dazu ist wahrlich kein QR-Code imstande.