Dank einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs können viele Steuerzahler nun viel Geld sparen. Die Zinsen auf Steuernachzahlungen seien verfassungswidrig, urteilten die Münchner Richter. Insgesamt geht es um zwei Milliarden Euro im Jahr.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

München - Für Tausende von Steuerzahlern könnte dieser Beschluss bares Geld wert sein: Der Bundesfinanzhof hat Zweifel angemeldet, ob die Zinsen, die regelmäßig auf Steuernachzahlungen zu leisten sind, noch mit der Verfassung in Einklang zu bringen sind. Entscheiden muss das letztendlich zwar das Bundesverfassungsgericht, gleichwohl kann die Entscheidung sofort Auswirkungen haben.

 

Der Bundesfinanzhof hat nun eine Regel von 1961 außer Kraft gesetzt, wonach auf Steuernachforderungen ein Zinssatz von sechs Prozent im Jahr zu zahlen ist. „Die realitätsferne Bemessung wirkt in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung“, begründet das Gericht seine Entscheidung. Geklagt hatte ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen. Neben den zu bezahlenden Steuern sollten sie auch Zinsen überweisen. Für den Zeitraum von April 2015 bis November 2017 belief sich die Zinsforderung auf 240 831 Euro. Diese Zinsen dürfen nach dem Beschluss des Gerichtes mit sofortiger Wirkung nicht mehr eingezogen werden.

Für den Staat könnte die Entscheidung spürbare Auswirkungen haben

Die Entscheidung gilt zwar streng genommen ausschließlich gegenüber den Klägern, ein Gerichtssprecher verweist allerdings auf die Begründung des Neunten Senates. Die sei so allgemein gehalten, dass sie vermutlich auch bei anderen Fällen zur Anwendung käme, sagt der Sprecher weiter. Dies gelte, obwohl der Dritte Senat des Bundesfinanzhofs vor wenigen Monaten in einem vergleichbaren Fall zu einem komplett anderen Ergebnis gekommen sei. Die nun geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit seien so tief greifend, dass es „sehr unwahrscheinlich“ sei, dass das Gericht nochmals anders entscheiden würde. Allerdings: Einen Automatismus beinhaltet der Münchner Richterspruch nicht – wer ebenfalls von Zinszahlungen betroffen ist, muss nun bei seiner Finanzbehörde vorstellig werden, um sich von dem Zuschlag zu befreien.

Für den Staat könnte die Entscheidung spürbare Auswirkungen haben. Nach Zahlen des Bundesfinanzministeriums haben die umstrittenen Zinsen in der Vergangenheit rund zwei Milliarden Euro pro Jahr in die Staatskassen gespült. Obwohl auch vermögende Privatpersonen von Nachzahlungszinsen betroffen sein können, sind es wohl in der Regel eher Unternehmer, bei denen eine Betriebsprüfung stattgefunden hat. Der Bund der Steuerzahler fordert nun eine Halbierung der Zinsen auf drei Prozent pro Jahr, also 0,25 Prozent im Monat: „Sechs Prozent Zinsen gibt es nur beim Finanzamt“, so Präsident Reiner Holznagel.