Das neue Ludwigsburger Jahrbuch erzählt von Militärs, der jüdischen Gemeinde – und von endlosen Debatten über öffentliche Toiletten.

Ludwigsburg - Wurde nicht erst vor wenigen Jahren erbittert über ein WC am Akademiehof gestritten? Ein stilles Örtchen sollte her, aber bitte so, dass es sich ästhetisch in das Umfeld einfügt. Gemessen an der „Stilwidrigkeit übelster Sorte“, über die vor 100 Jahren gestritten wurde, war die Sache am Akademiehof wohl nur eine Bagatelle. Denn tatsächlich stand von 1895 an ein Abort unmittelbar am historischen Marktplatzbrunnen. Erzählt wird dieses kuriose Detail in der jüngsten Ausgabe der Ludwigsburger Geschichtsblätter, die sich in einem Schwerpunkt dem 300-Jahr-Jubiläum der Stadtgründung sowie dem jüdischen Leben in Ludwigsburg widmen.

 

Kriegerische Vergangenheit

Wer 2018 den Jubiläums-Festakt besucht hat, wird einige Themen wiedererkennen. Etwa die Vorträge „Stadt werden“ von Annette Spellerberg oder „300 Jahre Residenzstadt“ von Sigrid Hirbodian. Allerdings wurden diese Referate bearbeitet und ergänzt. Üblicherweise sehen sich die Ludwigsburger gern als Nachfahren einer Bürgerschicht, die sich rund um den feudalen Hof der württembergischen Residenz gebildet hat. Doch die Geschichte Ludwigsburgs war seit der Herrschaft des Stadtgründers Eberhard Ludwig auch stets mit Krieg verknüpft: Die Residenz- war auch Garnisonsstadt. Daran erinnert der ehemalige Stadtarchivar Wolfgang Läpple in einem Beitrag über das Alt-Württemberg-Regiment.

Orgel für die Synagoge

Zum Erstaunlichsten hier gehört die lange Liste der Gegner sowie der Orte, an denen die Truppe lange vor den Weltkriegen gekämpft hat. Das reicht vom Kampf gegen die Türken im serbischen Novi Sad und geht über Sizilien, wo die Württemberger gegen die Spanier kämpften, bis zur Beteiligung am sogenannten Boxeraufstadt in China.

Simon Karzel, Läpples Nachfolger im Stadtarchiv, berichtet vom jüdischen Leben in Ludwigsburg von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Nazi-Zeit. Auch wenn es hin und wieder antisemitische Wortmeldungen gegeben hat – die Ludwigsburger schienen dagegen immun gewesen zu sein. Um das gute Miteinander der christlichen und der jüdischen Gemeinde zu veranschaulichen, verweist Karzel auf eine Entdeckung: Die Zeichnung einer Walcker-Orgel, die – und das ist ungewöhnlich – eigens für die Synagoge gefertigt worden ist.

Unterirdische Debatte

Was die Aufregung um das Marktplatz-Klo angeht, haben die Ludwigsburger schon damals viel Fantasie entwickelt. Lange wurde geplant, das Häuschen unter die Erde zu verlegen. Doch das war zu teuer, weshalb der Abort 1927 abgerissen wurde.