In der Nacht zum Mittwoch startete in Cap Canaveral eine Falcon 9-Trägerrakete in Richtung ISS. An Bord: Gin aus Stuttgart.

Ein paar Tropfen der Stuttgarter Ginmarke Ginstr sind auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS. In der Nacht zum Mittwoch startete eine Falcon 9-Trägerrakete im US-amerikanischen Cape Canaveral Richtung ISS – unter den Augen der Ginstr-Gründer Markus Escher und Alexander „Sandy“ Franke, die dazu extra nach Florida geflogen waren. Vier Wochen lang wird der Gin jetzt im Weltraum erprobt.

 

Der Gin aus Stuttgart gehört nicht etwa zur Bar-Ausstattung der Internationalen Raumstation. Er soll einem Experiment zum Erfolg verhelfen, mit dem sich Studierende aus Stuttgart ein weiteres Mal für die Raumfahrt qualifiziert haben. Daran gearbeitet haben junge Luft- und Raumfahrttechniker und Studierende aus anderen Fachzweigen der Universität Stuttgart.

Gin soll mechanische Teile gängiger machen

Ziel des sogenannten Ferrofluid-Experiments sei es, mechanische Teile wie zum Beispiel Schalter in der Raumfahrt durch weniger verschleißanfällige und zuverlässigere Technologien zu ersetzen. Damit könnte die Gefahr eines Ausfalls verringert werden. Denn Reparaturen nehmen einen großen Teil des Arbeitsalltags für Astronauten ein: Nach Angaben des Instituts für Raumfahrtsysteme der Uni verbringen sie bis zu zwei Stunden am Tag mit Wartungsarbeiten. „Das ist zeit- und kostenintensiv. Um künftige Missionen zum Beispiel zum Mars zu realisieren, müssen Raumfahrzeuge möglichst wartungsfrei funktionieren“, sagt Manfred Ehresmann vom Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart.

Hier soll das Stuttgarter Projekt FARGO (Ferrofluid Application Research Goes Orbital) helfen. Es hatte sich beim Überflieger-2-Wettbewerb der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Luxembourg Space Agency (LSA) durchgesetzt. Auch drei weitere Teams anderer Hochschulen waren ausgewählt worden.

Ferrofluide sind Flüssigkeiten, in denen magnetische Partikel vorhanden sind, die auf externe Magnetfelder reagieren. „Das Forschungsgebiet von Ferrofluiden in der Raumfahrt ist noch nicht verbreitet, deswegen liegt es an uns, das Ganze in Fahrt zu bringen“, sagte die Studentin Bahar Karahan, die in dem Projekt unter anderem für die Integration und Tests des thermalen Schalters verantwortlich ist.

Das Experiment der 23 Studierenden befindet sich in einer Box, die 10 mal 10 mal 20 Zentimeter groß ist. An Bord der ISS wird sie in einen Experimentierschrank eingebaut und soll dort autonom laufen. Anschließend wird sie zurück zur Erde gebracht und dem Studenten-Team übergeben. Getestet wird laut Universität, wie sich drei Anwendungen von Ferrofluiden in der Schwerelosigkeit verhalten. Dazu zählen ein thermischer Schalter, der die Übertragung von Wärme zwischen zwei Bauteilen regelt, und ein elektrischer Schalter, der einen Stromkreis schließen und öffnen soll. „Allen drei Anwendungen ist gemeinsam, dass sie auf mechanische Teile möglichst verzichten und somit die Gefahr eines Ausfalls aufgrund von Verschleiß deutlich reduzieren“, hieße es weiter.

Es sind nicht die ersten Erfahrungen der studentische Kleinsatellitengruppe KSat mit dem Weltraum: Im Jahr 2018 hatten sie bereits Erfolg in der Schwerelosigkeit mit Ferrofluid-Tests an einer Pumpe, 8 der heute 23 Studierenden waren damals bereits dabei.

Eine Studentin kam auf Ginstr

Für die Studierenden wie Karahan war es die größte Herausforderung, Projekt, Studium, Arbeit und Freizeit unter einen Hut zu bekommen. Da könne es schon passieren, dass eine Vorlesung wiederholt oder eine Prüfung geschoben werden muss, räumt sie ein, sagt aber auch: „Es lohnt sich auf jeden Fall mitzumachen, auch trotz hohen Zeitaufwands.“

Und der Gin? Eine Chemie-Expertin aus der Gruppe habe die Idee gehabt, statt Isopropanol Ethanol im Experiment zu verwenden, erklärt Projekt-Betreuer Ehresmann. „Der Alkohol verdunstet langsamer und stabilisiert das Gemisch. Das erhöht die Anwendungssicherheit für das Experiment.“ Es flögen aber auch nur rund sieben Milliliter Gin mit.

Bei Ginstr ist man auf jeden Fall sehr stolz auf den Weltraumeinsatz: Das Unternehmen hat eine Sonderedition seiner Wacholder-Spirituose herausgebracht. Auf dem Etikett: Ein Bild der Internationalen Raumstation.