Grohmanns Großprojekt Stuttgart wird Kulturstadt der Erinnerung
Peter Grohmann entwickelt das Großprojekt „30 Tage im November“, das die Aktualität der Nazivergangenheit herausstreicht.
Peter Grohmann entwickelt das Großprojekt „30 Tage im November“, das die Aktualität der Nazivergangenheit herausstreicht.
Stuttgart - Peter Grohmann könnte es sich schön gemütlich machen in seinem Häuschen in Sonnenberg. Das wurde vor ein paar Jahren von seiner Partnerin, einer Architektin, stilvoll hergerichtet. Der perfekte Alterssitz mit Blick auf die Felder, dem Radweg vor der Nase und einem Hallenbad um die Ecke. Der Ruhestand spielt in den Überlegungen von Peter Grohmann mit 84 Jahren aber noch keine Rolle, ist er doch so etwas wie ein ständig aufgedrehter Unruheherd. Nicht einmal ans Kürzertreten denkt er.
Der Kabarettist, Autor und Verleger steckt gerade mitten in der Vorbereitung für ein Großprojekt, das es in dieser Form in Stuttgart noch nie gegeben hat. Der Titel: „30 Tage im November“. Zusammen mit der Jugendhaus-Pädagogin Beate Müller plant Grohmann eine Veranstaltungsreihe vom 1. bis 30. November 2022. Über allem stehen bei diesem Projekt der Wert der Menschenrechte und die Bedeutung von Erinnerungskultur gerade für die deutsche Demokratie. Entsprechend steht die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit im Zentrum der Veranstaltung. Vielfalt garantieren dabei allein schon die unterschiedlichen Institutionen, die sich daran beteiligen. Neben Stadt und Land leisten auch Kirchen, Schulen, Stiftungen, Kinos oder Vereine ihre Beiträge. Angeboten werden zum Beispiel Vorträge und Lesungen. Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Andreas Nachama, referiert zum Thema „Wenn wir das gewusst hätten . . .“. Mit dabei ist auch der Historiker Wolfgang Niess, der aus seinem Buch „Der 9. November: Die Deutschen und ihr Schicksalstag“ liest und dabei den Blick auf die Reichspogromnacht 1938 lenkt, in der auch Stuttgarts Synagoge zerstört wurde.
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Die Veranstaltungsreihe nähert sich den Opfern, den Tätern und dem Widerstand auf verschiedenen Wegen. Konzerte werden gegeben, Kinofilme gezeigt oder Führungen in den KZ-Gedenkstätten Vaihingen/Enz und Hailfingen angeboten. Geplant ist auch eine Studienfahrt in Peter Grohmanns Heimatstadt Breslau, wo man sich auf die verbliebenen Spuren jüdischen Lebens begibt.
Auf die Idee zu diesem breit angelegten, auf viele Schultern verteilten Vorhaben ist Peter Grohmann im Dezember gekommen. „Zum einen hat Corona damit zu tun“, sagt er. Vieles sei im Zuge der Pandemie auf der Strecke geblieben. „Eine Gesprächskultur zum Beispiel, die wollen wir dadurch wieder fördern“, sagt Grohmann und spricht dabei im Namen seiner Initiative „Die Anstifter“, die unter anderem jährlich den Stuttgarter Friedenspreis vergibt.
Das zweite Motiv Grohmanns hat mit einem Ereignis zu tun, das außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft liegen müsste. Vor 80 Jahren beschlossen auf der Wannseekonferenz Vertreter des Naziregimes die industriell betriebene Massenermordung der europäischen Juden. Damit war für Grohmann das Thema des durch Spenden finanzierten Projekts gesetzt. „An morgen erinnern“ nennt er es und bringt so zum Ausdruck, dass Zukunft nur von dem gestaltet werden kann, der sich die Vergangenheit bewusst macht.
Der unermüdliche Anstifter hofft, dass sich noch weitere Menschen und Institutionen mit Anregungen, Ideen, Fragen oder Antworten beim Veranstalter (peter-grohmann@die-anstifter.de) melden. Der tritt im November auch selbst in Erscheinung – mit dem „Leonhard Cohen Project“ im Theaterhaus, wo die Songs des kanadischen Künstlers gespielt und von Grohmann interpretiert und kommentiert werden.