In der Union gibt es Widerstand gegen große Zugeständnisse beim Thema Doppelte Staatsbürgerschaft. Innenminister Friedrich will sich nicht auf Seehofers Linie zwingen lassen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die doppelte Staatsbürgerschaft ist kein x-beliebiges Thema für konservative Unionisten. Mit dem Widerstand gegen dieses von Rot-Grün erfundene Recht begann die Karriere des einstigen Merkel-Rivalen Roland Koch. Als Machtfaktor in der CDU ist Koch Vergangenheit. Auch das von ihm vertretene Veto gegen Doppelpässe hat in seiner Partei schlechte Zukunftsaussichten. Im Wahlkampf hatte die Kanzlerin noch gegen eine weich gespülte Einbürgerungspolitik gekämpft. Aber seit dem Rendezvous mit den Grünen beim Sondieren von Koalitionsmöglichkeiten ist diese Haltung passé.

 

Die Union offerierte der verblüfften Ökopax-Delegation eine Liberalisierung des Staatsbürgerschaftsrechts. Ausgerechnet CSU-Chef Horst Seehofer hatte diesen Lockvogel ins Spiel gebracht. Selbst Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, Kochs Nachfolger, zeigte sich kompromissbereit. Daran will nun die SPD in den Koalitionsgesprächen mit der Union anknüpfen.

Für die SPD ist der Doppelpass ein Muss. Dafür hatte sich auch der Parteikonvent nach der Wahl ausgesprochen. In dem von ihm verabschiedeten Zehn-Punkte-Katalog für die Koalitionsverhandlungen heißt es unter Punkt 5: „Deutschlands Kinder sollen auch deutsche Staatsbürger bleiben, deshalb wollen wir den Optionszwang abschaffen und Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung ermöglichen.“

Der Optionszwang geht auf ein SPD-Gesetz zurück

Dabei geht der sogenannte Optionszwang, Stein des Anstoßes, auf ein SPD-Gesetz zurück. Die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder hatte ihn 1999 eingeführt, damit der unionsdominierte Bundesrat ihre Novelle des Staatsangehörigkeitsrechts akzeptierte. In Deutschland geborene Kinder von Ausländern erwerben automatisch neben dem Pass ihrer Eltern auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Im Alter von 18 bis 23 Jahren müssen sie sich allerdings für eine Nationalität entscheiden. 2013 standen die ersten dieser Fälle zur Entscheidung an.

Die CDU-Spitze tendiert zu einem pragmatischen Vorgehen in den Koalitionsgesprächen mit der SPD. Sie zeigt sich offen gegenüber einer doppelten Staatsbürgerschaft. In der Praxis behielten ohnehin die meisten Ausländerkinder mehrere Pässe, da ihre Eltern entweder EU-Bürger sind oder aus Ländern kommen, in denen die Optionsregel nicht praktikabel ist, weil dort die Aberkennung der jeweiligen Staatsangehörigkeit nicht vorgesehen ist.

„Das wird ein heißer Streit“, heißt es in der CSU

In der CSU sind aber längst nicht alle auf die liberale Linie des Parteivorsitzenden Seehofer eingeschwenkt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verweigert sich nach wie vor dem Doppelpass. Das wurde am Dienstag am Rande der Koalitionsverhandlungen über innen- und justizpolitische Themen deutlich. Friedrich beharre auf der „klaren CSU-Linie, wie sie mehrfach festgeschrieben“ worden sei, hieß es aus seinem Umfeld. Seehofer hatte vorgeschlagen, Doppelpässe zu dulden und dabei etwa im Falle von Deutschtürken eine „schwebende Staatsbürgerschaft“ für das Herkunftsland Türkei zu unterstellen. Im Klartext heißt das: die Leute dürften neben dem deutschen auch ihren türkischen Pass behalten, ihre Rechte und Pflichten als Türken würden aber ruhen. Davon hält der CSU-Innenminister nichts.

Er ist in seiner Partei nicht der Einzige, der sich mit Seehofers Kursschwenk nicht anfreunden kann. „Das wird ein heißer Streit“, ist aus dem Kreis der CSU-Leute zu erfahren, die den Koalitionsvertrag mit ausverhandeln. Es werde bei diesem Punkt „keinen schnellen Kompromiss“ geben. Kompromissbereit zeigen sich die Hardliner allenfalls bei einer Detailvorschrift: Sie bieten an, die Optionsfrist von bisher fünf auf acht Jahre auszudehnen. Widerstand kommt auch aus Baden-Württemberg. Dort hat der Landesvorsitzende der Jungen Union, Nikolaus Löbel, klargemacht, dass eine Ausweitung der doppelten Staatsbürgerschaft für die CDU-Basis ein „No-Go“ sei – ein Tabu. Die SPD-Innenpolitiker erwarten, dass dieses Thema „der härteste Knochen“ für die Koalitionsverhandlungen in ihrem Bereich sei. Am Ende werden aber ohnehin nicht die Experten entscheiden. Das behalten sich bei strittigen Fragen die großen drei vor: die Parteichefs Seehofer, Merkel und Gabriel. In ihrem Kreis ist der Doppelpass unumstritten.


Gesetz
Kinder, die in Deutschland zur Welt kommen, sind automatisch Deutsche, wenn ihre Eltern bei der Geburt schon acht Jahre hier leben. Das gilt seit dem 1. Januar 2000. Kinder, die damals noch nicht zehn waren, konnten binnen eines Jahres eingebürgert werden. Die meisten dieser Kinder haben auch noch die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern. Sie müssen sich zwischen 18 und 23 entscheiden, welchen Pass sie behalten wollen.

Realität
Im laufenden Jahr begann für die ersten 3300 dieser jungen Menschen die Optionsfrist. Die Zahl wächst stetig, bald werden es 40 000 jährlich sein. Die meisten von ihnen haben türkische Wurzeln. Wer sich nicht rechtzeitig für eine Nationalität entscheidet, verliert den deutschen Pass.