Die Zahl obdachloser Frauen steigt. Die Erlacher Höhe reagiert mit neuen Angeboten. In Erlach wird ein Wohnhaus nur für Frauen gebaut. In Backnang betreibt die diakonische Einrichtung bereits das Haus Karla.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Großerlach - Viele haben Schreckliches erlebt: Gewalt, sexuellen Missbrauch – oft schon als Kinder oder Jugendliche. Sie haben angefangen zu trinken, aufgehört, wieder angefangen. Manche haben auf der Straße gelebt, andere sind direkt von daheim nach Erlach zur Therapie gezogen. Und sie werden immer mehr. Seit einigen Jahren schlagen Fachleute Alarm. Die Zahl der wohnungslosen oder von Obdachlosigkeit bedrohten Frauen nimmt ständig zu. Niemand kennt die ganz genauen Fallzahlen. Doch Experten gehen davon aus, dass mittlerweile fast 25 Prozent aller wohnungslosen Menschen weiblich sind. Früher waren Berber-Frauen die große Ausnahme.

 

Über die Gründe könne auch er nur spekulieren, sagt Karl Ernst Kühner, der Abteilungsleiter der sozialtherapeutischen Hilfen der Erlacher Höhe. Früher hieß es, Frauen in Not suchten Unterschlupf – bei Bekannten, einer Freundin, einem neuen Partner. Und Männer gingen halt auf die Straße. Das Verhalten der Frauen hat sich offenbar gewandelt. Als die Erlacher Sozialtherapie Helle Platte Mitte der 1980er-Jahre eröffnet wurde, „waren wir auf Frauen jedenfalls nicht eingestellt“, sagt Kühner. Bereits in den Anfangsjahren sei zwar ab und zu gelegentlich mal eine Obdachlose aufgenommen worden.

Das Frauenhaus soll 2014 eröffnet werden

Mittlerweile seien ein paar Zimmer umgebaut und mit eigenen Duschen und Toiletten bestückt worden. Nun sollen alle Zwei-Bett-Zimmer nach und nach umgestaltet werden. Zurzeit wird zusätzlich eine eigenes Wohnhaus nur für Frauen erstellt. Kürzlich haben ein paar Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnen im Rahmen einer kleinen Feier den ersten Spatenstich gesetzt. Das Haus werde nächstes Jahr eröffnet, sagt Kühner. Insgesamt bleibe es aber bei den 35 Wohnplätzen in den Gebäuden der kleinen Siedlung im Schwäbischen Wald.

Der Neubau ist konzipiert für Klientinnen wie die 55-jährige Dame, die in einer Großfamilie in Österreich aufgewachsen ist, und zurzeit in Erlach eine Therapie macht. Wenn das neue Haus fertig wird, hat sie die diakonische Einrichtung bei Großerlach vermutlich längst schon wieder verlassen. Auch sie hat so machen Schicksalsschlag erlebt, will verständlicherweise nicht jedes Detail erzählen. Nur so viel: sie habe erwachsene Töchter, sei geschieden, habe zu viele getrunken, sei vor vielen Jahren schon einmal in Erlach gewesen, habe einen Rückfall gehabt – nun ist die 55-Jähre also wieder da. Deshalb schäme sich sie ein bisschen. Für ihr weiteres Leben habe sie konkrete Pläne: die Therapie erfolgreich beenden und dann umziehen in das Wohnheim der Erlacher Höhe in Waiblingen-Beinstein. Von dort aus sei es nicht weit zur Arbeit in der Werkstatt für Behinderte der Paulinenpflege in Winnenden.

In Backnang gibt es bereits das Haus Karla

Die Erlacher Höhe hat auch andernorts bereits auf die zunehmende Zahl obdachloser Frauen reagiert, etwa mit dem Haus Karla in Backnang, das Ende 2011 eröffnet worden ist. Im Haus Karla gibt es zwei Wohngemeinschaften mit jeweils vier Einzelzimmern, zwei Plätze in einer Notunterkunft, eine Kreativwerkstatt sowie einen kleinen Laden. Die Bewohnerinnen, die nicht arbeiten oder zur Schule gehen, sollen in der Werkstatt mitarbeiten.

Aktion Mensch hilft bei der Finanzierung

Arbeiterkolonie
1891 ist die Erlacher Höhe bei Großerlach als sogenannte Arbeiterkolonie gegründet worden. Heute betreut die Einrichtung in erster Linie wohnungs-, arbeitslose und alkoholkranke Menschen. Sie wird getragen vom Diakonieverbund Dornahof und Erlacher Höhe.

Neubau
Der Bau des neuen Wohnhauses für Frauen in Erlach kostet rund 230 000 Euro. Die Einrichtung hat 88 000 Euro an öffentlichen Zuschüssen, 80 000 von der Aktion Mensch und 30 000 an Spenden bekommen. Den Rest übernimmt der Trägerverein.