Grüne und CDU tun sich in Baden-Württemberg wohl zusammen. Die Kiwi-Kombination, die deutlich mehr grün als schwarz enthält. Das bietet Chancen für das Land, kommentiert die StZ-Redakteurin Renate Allgöwer.

Stuttgart - Jetzt rückt sie also in greifbare Nähe, die erste grün-schwarze Koalition in Deutschland. Die Kiwi-Kombination, die deutlich mehr Grün als Schwarz enthält und schlicht bedeutet, dass die CDU Juniorpartner der Grünen wird. Für beide Parteien ist die süße Kiwi eher ein saurer Apfel und weit von einem Wunschbündnis entfernt. Grüne wie CDU werden einiges zu tun haben, ihre Basis davon zu überzeugen, dass die ins Auge gefasste Zweckgemeinschaft nützlich sein kann.

 

Der Union, die sich jahrelang als Baden-Württemberg-Partei verstand, verlangt diese mögliche Arbeitsgemeinschaft einiges ab. Nicht von ungefähr sieht die CDU deutlich mehr Risiken in einer Koalition als die Grünen. Die Sorge um den Markenkern ist groß, das dramatische Beispiel der SPD steht der Union deutlich vor Augen. Die CDU sieht sich aber in der staatspolitischen Pflicht, zu einer stabilen Regierung beizutragen. Die Koalitionsverhandlungen mögen schwierig werden, mit einem Scheitern ist aber kaum zu rechnen, denn dies würde Neuwahlen bedeuten, die vermutlich allein der AfD zugutekämen.

Auch die Grünen sind gefordert, ihrem künftigen Partner den notwendigen Raum zu lassen

Doch es ist nicht allein die Pflicht, welche die CDU ruft. Sie hat in den vergangenen fünf Jahren auch schmerzlich erfahren, dass sich der Markenkern in der Opposition nicht so leicht schärfen lässt. In der Regierung mitzugestalten verspricht immer noch mehr Profilierungschancen, als die Oppositionsbank zu drücken.

So weit sind die realpolitischen Grünen und die CDU in Baden-Württemberg nicht auseinander, dass sich nicht Gemeinsamkeiten finden ließen. Bewahrung der Natur, regionale Wertschöpfung, gesunde Ernährung – das sind konservative Themen, welche die Grünen im Grunde nur publikumswirksamer vermarkten als die CDU. Doch es bleibt die Aufgabe der CDU, den rechtskonservativen Wählern eine demokratische Heimat zu bieten. Dieser Rolle in dem neuen Bündnis gerecht zu werden wird eine große Herausforderung sein. Aber auch die Grünen sind gefordert, ihrem künftigen Partner den notwendigen Raum zu lassen, dieses Spektrum einzubinden.

Die Projekte könnten Leuchttürme werden, die für beide Seiten strahlen

Es kann nicht darum gehen, sich in allen Punkten anzunähern. Schon in den Sondierungsgesprächen hat sich angedeutet, dass die Verhandlungsparteien gemeinsame Projekte formulieren möchten, die sie in den kommenden fünf Jahren verwirklichen könnten. Dies ist ein gangbarer Weg. Die Projekte könnten Leuchttürme werden, die für beide Seiten strahlen.

Bei aller Unterschiedlichkeit gibt es dazu allerhand Möglichkeiten: Die Stärkung der Kommunen wäre im Sinne von Grünen wie Union, ebenso wäre der Ausbau der Digitalisierung ein zukunftsweisendes Projekt. Eine nicht unerhebliche Chance bietet sich den bisherigen Kontrahenten ausgerechnet in der Bildungspolitik. Auf dem Feld, auf dem sich Grüne und CDU bis heute zum Teil erbittert beharken, könnten die Parteien dem Land, den Eltern, Lehrern und Schülern einen Dienst erweisen, wenn sie einen Bildungskonsens erreichen würden, den der CDU-Fraktionschef Guido Wolf schon ins Gespräch gebracht hat.

Die erste Hürde wird sein, die richtigen Verhandler zu finden

Bis dahin ist es aber ein weiter Weg. Die Verhandlungen beginnen erst, und große Ziele sind schnell vereinbart. Schwieriger wird es, konkrete Stolpersteine auszuräumen. Was wird aus der von der CDU versprochenen Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium? Kommt die Kennzeichnungspflicht für Polizisten? Was ist die Zukunft der Windenergie?

Mit den tückischen Details werden sich die themenbezogenen Arbeitsgruppen befassen. Diese werden sich in den nächsten Tagen konstituieren. Die erste Hürde wird sein, die richtigen Verhandler zu finden. Gerade die CDU wird an einem einheitlichen Vorgehen arbeiten und aus der Wahlniederlage entstandene Nickeligkeiten ablegen müssen. Dabei ist der Landeschef Thomas Strobl gefragt.