Aufgrund der Corona-Widrigkeiten ist den ersatzgeschwächten deutschen Handballern nach dem verpassten EM-Halbfinale kein Vorwurf zu machen. Doch auch in Bestbesetzung ist die absolute Weltspitze weit weg, kommentiert unser Autor Jürgen Frey
Stuttgart - Erwartet haben es ohnehin nur die allergrößten Superoptimisten. Jetzt ist schon vor dem letzten Hauptrundenspiel an diesem Dienstag gegen Russland Gewissheit: Das EM-Halbfinale und auch das Spiel um Platz fünf gehen ohne die deutschen Handballer über die Bühne. Einen Vorwurf kann dem Team von Bundestrainer Alfred Gislason aber keiner machen. Denn die Widrigkeiten waren extrem. Mit Sport haben Hochrisiko-Spiele in einem lodernden Corona-Herd wenig zu tun. Es ist ein gesundheitlicher Ritt auf der Rasierklinge, es ist reines Glücksspiel. Immer wieder wurden Spieler aus Deutschland nachnominiert. Alle sagten bereitwillig zu. Die Leidenschaft für den Handball ist offenbar ansteckend. Wie das Virus.
Das setzt ein äußerst dickes Fragezeichen hinter die Sorgfaltspflicht der Europäischen Handballföderation (EHF) und des Deutschen Handballbundes (DHB), der bei einem Rückzug allerdings mit weitreichenden Konsequenzen hätte leben müssen. Es zeigt aber, dass der Teamgeist, der Einsatz, der Wille in der Nationalmannschaft zu 100 Prozent stimmen und es belegt wie noch nie, dass keine andere Nation eine solch große Auswahl an Spielern hat. Die Breite ist enorm, das Entwicklungspotenzial genauso.
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Dennoch bleiben große Zweifel, dass auch mit voller Kapelle mit den Schwergewichten dieser Handball-Welt nicht nur phasenweise mitgehalten werden kann, sondern, dass in absehbarer Zeit (möglichst bei der Heim-EM 2024) der große Wurf gelingt. Es mangelt an individueller Extraklasse auf den Schlüsselpositionen im Rückraum. Ein Spieler von absolutem Weltklasseformat, der ein enges Spiel entscheiden kann, ist weiter nicht in Sicht.
Senkrechtstarter Julian Köster bringt vom Profil her alles mit, um ein ganz Großer zu werden. Doch der 21-Jährige spielt wie fast alle seiner deutschen Teamkollegen im Verein nicht, wie die Stars der ausländischen Nationen, in der Champions League. Er spielt bisher noch nicht einmal in der Bundesliga, sondern in der zweiten Liga beim VfL Gummersbach. Auch das zeigt irgendwie das Dilemma, in dem die DHB-Auswahl steckt.
Wir haben Fotos von den für die EM nominierten Starspielern, von denen es einige auch mit Corona erwischte. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie!
