Am 17. Dezember 2013 wurden die Minister der aktuell regierenden, großen Koalition vereidigt. Nun ist Halbzeit. Ein guter Anlass, um eine Zwischenbilanz zu ziehen, und die Frage zu stellen: Wer hat die besten Zukunftsaussichten?

Berlin - Zwei Jahre ist die große Koalition nun im Amt. Halbzeit in Berlin. Eine Pause zum Verschnaufen wird es aber nicht geben in krisenhaften Zeiten. Wir beschreiben Ihnen, wie sich die wichtigsten Minister im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel geschlagen haben und wie sie sich für die Zeit bis zur Bundestagswahl in Stellung bringen werden.

 

Merkel vs. Gabriel

Auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) wird es weiter ankommen, mehr noch als in den ersten beiden Jahren. Das Verhältnis gilt nach wie vor als vertrauensvoll, beide schätzen und respektieren sich. Aber die Lage wird komplizierter, denn Gabriel wird die Kanzlerkandidatur wohl oder übel übernehmen müssen, weil bislang niemand seinen Führungsanspruch trotz erheblicher innerparteilicher Kritik in Frage stellt.

Zwar ist auch Merkel zum ersten Mal während ihrer Regentschaft als Parteichefin angezählt, dies aber ausgerechnet wegen ihrer Willkommenspolitik in der Flüchtlingspolitik, für die sie vom linken SPD-Flügel Respekt und Anerkennung entgegennehmen konnte. Gabriel wird ihre Schwäche deshalb nicht ausnutzen können. Links überholen kann er sie nicht, rechts schon gar nicht. Das würde die SPD spalten. Dennoch wird Gabriel sich mehr und mehr von Merkel absetzen müssen, um sich 2017 als Alternative vermarkten zu können.

Ist de Maizière noch Kronprinz?

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), in der Union einst noch Kronprinz in der Frage der Kanzlerschaft, dürfte derlei Karriereambitionen begraben haben. Nachdem er schon als Verteidigungsminister im Streit über die Aufklärungsdrohne Euro Hawk knapp am Rücktritt vorbeischrammte, hat er nun mit seinem zögerlichen, mitunter uninformierten und taktisch abenteuerlichen Agieren in der Flüchtlingsfrage seinen Ruf als Macher ramponiert. Hinzu kommen ungeschickte Äußerungen nach den Terrorattacken in Paris. Dennoch sitzt de Maizière erstaunlich fest im Sattel, weil er in der Union als Garant für einen restriktiveren Kurs in der Flüchtlingspolitik gilt.

Altmaier, der Watschenmann

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hat dagegen einen schweren Stand. Zwar wurde seine Arbeit aufgewertet, weil er die Arbeit der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik koordinieren soll. Aber die Zusammenarbeit mit de Maizière, der im Zuge der Neuaufteilung der Aufgaben teilentmachtet wurde, klappte phasenweise überhaupt nicht, was nicht nur dem Innenminister angelastet wurde. Außerdem ist Altmaier als wichtigster Vertrauensmann Merkels im Kanzleramt der Watschenmann für all jene, die ihren Frust nicht direkt bei der Kanzlerin abladen wollen.

Die ambitionierte von der Leyen

Von all diesen Streitigkeiten profitieren könnte im Lager der Union langfristig Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Allerdings ist ihr Ressort jenes, das wohl am schwersten zu führen ist. Rüstungsquerelen oder Rückschläge bei den Einsätzen in Afghanistan, Mali und bald auch in Syrien könnten sie schnell alle Ambitionen auf Merkels Nachfolge kosten.

Schäuble, der Routinier

Im Lager der Gefrusteten stieg bei der Union zuletzt ohnehin nicht etwa sie, sondern der altgediente Wolfgang Schäuble zum Hoffnungsträger auf. Auch er punktete mit einer härteren Rhetorik in der Flüchtlingspolitik und mit kaum verhohlener Kritik an Merkels Amtsführung. Zuvor hatte er schon im Streit über den Griechenland-Kurs zur Freude der Merkel-Kritiker Distanz zur Chefin erkennen lassen.

Steinmeier als Bundespräsident?

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kann über mangelnde Anerkennung für seine Arbeit nicht klagen. Allerdings ist nicht so recht klar, wohin ihn persönlich die Reise noch führen kann. In der SPD-Spitze hält sich hartnäckig die Lesart, SPD-Chef Gabriel wolle der Union Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten schmackhaft machen, sollte Joachim Gauck nicht mehr antreten. Steinmeiers Umfeld reagierte auf derlei Spekulationen freilich stets sehr allergisch. Die Kanzlerkandidatur wird sich Steinmeier sicher nicht noch einmal antun, auch wenn die Genossen in ihm ausweislich jüngster Umfragen wieder einmal den geeignetsten Kandidaten sehen.

Nahles baut ihre Position in der SPD aus

Andrea Nahles hat die Zeit als Arbeitsministerin vor allem dazu genutzt, ihre starke Position in der SPD weiter auszubauen. In ihrem Ressort wurden die SPD-Herzensangelegenheiten Mindestlohn und Rente mit 63 auf den Weg gebracht. Sollte nach Gabriel einst über die Parteiführung zu befinden sein, wird sie ein gewichtiges Wort mitreden.

Schwesig – eine potentielle Kanzlerkandidatin?

Ähnliches gilt auch für die neue SPD-Zukunftshoffnung Manuela Schwesig. Die Familienministerin hat die SPD-Spitze mit ihren familienpolitischen Vorstößen derart beeindruckt, dass manche in ihr für die gar nicht allzu ferne Zukunft eine potenzielle Kanzlerkandidatin erkennen.

Schmidt, Dobrindt, Müller – die blassen CSU-Minister

Ziemlich unscheinbar kamen bisher die CSU-Minister daher, was freilich auch damit zu tun, hat, dass deren Themen – Entwicklungshilfe, Verkehr und Landwirtschaft – kaum Konjunktur hatten. Das dürfte sich für Landwirtschaftsminister Christian Schmidt nicht ändern, es sei denn, ein Lebensmittelskandal lenkt den Fokus auf sein Ressort. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hingegen dürfte die VW-Affäre um getürkte Abgaswerte fordern. Entwicklungsminister Gerd Müller hat sich zwar bisher passabel geschlagen, sein Versuch, gemeinsam mit der Wirtschaft ein Textilbündnis für faire Produktionsbedingungen zu schmieden, hat ihm Anerkennung verschafft. Dennoch gilt für ihn wie für die anderen CSU-Minister, dass sie vorerst im Schatten jener Ressorts bleiben, die zuallererst mit den Folgen von Flüchtlingszustrom und Terrorabwehr konfrontiert werden.

Im Schatten: Gröhe, Wanka, Hendricks und Maas

Dieses Schicksal teilen sie mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Justizminister Heiko Maas (SPD) wurde zwar von „Spiegel-Online“ zum Hoffnungsträger und Kanzlerkandidaten in spe aufgebaut, dies allerdings aus unerfindlichen Gründen. Allein schon der Niederschlag, den ihm Gabriel im Streit über die Vorratsdatenspeicherung zufügte, machte deutlich, wo sich Maas in der SPD-internen Hierarchie vorläufig einzuordnen hat.