Der Kapitän des SV Leonberg/Eltingen freut sich auf das Topspiel gegen Liga-Primus HSG Ostfildern – und Lars Neuffer verrät, wann er beim Handball besonders intensiv leidet.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Es soll Menschen geben, die bekommen körperliche Schmerzen, wenn sie für nur zehn Minuten eine Folge von „Germany’s Next Topmodel“ anschauen müssen, andere plagt eine rumorende Übelkeit, sobald das „Dschungelcamp“ auf dem Flachbildschirm auftaucht. Lars Neuffer zählt nicht zu solchen Spezies, aber der Mann hat auch seine Schwächen, wenn er manche Dinge ansehen muss. Beispielsweise, wenn er ein Handball-Spiel seines SV Leonberg/Eltingen von der Tribüne aus verfolgen muss und er nicht ins Geschehen eingreifen darf. „60 Minuten von der Bank aus zu erleben, das ist die Hölle“, sagt der 34-Jährige, „ich tu’ mich extrem schwer damit, Spiele vom eigenen Team anzuschauen.“

 

In dieser Saison der Württembergliga befand sich der Kapitän für sechs Spiele bis Anfang Dezember im Zwangsruhestand wegen einer Muskelverletzung – für ihn eine Situation wie das erste Abendmahl für einen Konfirmanden: Er kannte es nicht. Lars Neuffer ist im Handball so etwas wie der VW Käfer, er läuft und läuft und läuft. Pannen? So unbekannt wie die bei den Kids angesagten Videogames Elden Ring oder Fifa 23 im Seniorenheim. In seinen 18 Spielzeiten im Aktivenalter hat sich der Rückraumakteur lediglich einmal einen Muskelfaserriss zugezogen, sonst stand er stets parat.

So wie an diesem Samstag (20 Uhr), wenn die seit sieben Spielen ungeschlagenen Leonberger Handballer den Spitzenreiter HSG Ostfildern im Sportzentrum empfangen. „Das ist das Wahnsinnsteam der Liga“, sagt Neuffer über die Mannschaft, die erst eine Niederlage einstecken musste, „ich hoffe, wir können sie in unserer Halle noch mehr ärgern als im Hinspiel.“ Damals hatte der SV einen Sieben-Tore-Vorsprung vergeigt und der favorisierten HSG um Ex-Nationalspieler Manuel Späth (37/früher Frisch Auf Göppingen und TVB Stuttgart) aber wenigstens noch ein Remis (22:22) abgerungen. „Ich habe mich gegen Späth sehr schwer getan, er hat extrem gute Blocks gesetzt“, erzählt der SV-Spielführer, „da müssen wir ein dickes Brett bohren.“

Lars Neuffer hat Verantwortung früh gelernt

Wenn Lars Neuffer am Samstag kräftig mitbohrt, muss er sich nicht mit Späth herumplagen, der viermalige EHF-Pokalsieger mit FA Göppingen fehlt wegen Rückenproblemen. Ein Spaziergang wird’s gegen Ostfildern trotzdem nicht, das wissen sie alle beim Tabellensechsten – und der Kapitän wird wie immer vorangehen. Es hat Lars Neuffer schon immer ausgezeichnet, dass er sich nicht weggeduckt hat, wenn’s mal richtig brenzlig wird. Seinen Mann zu stehen, das hat er als Teenager gelernt, als er mit 17 bei den Aktiven ran musste, als er durch die harte Schule seines russischen Trainers gegangen ist, „da wurde mir alles abverlangt“, erzählt er, „ich musste mich freischwimmen und habe gelernt, Verantwortung zu übernehmen.“ Und zwar von der Pike auf.

Siebenmeter aus der Tiefkühltheke

Diese Charaktereigenschaften weiß auch Trainer Christian Auer zu schätzen: „Lars geht voran und hält den Laden zusammen – er ist eine überragende Persönlichkeit auf dem Platz, genauso wie hinter den Kulissen.“ Der Linkshänder fordert die Bälle, wenn Spiele auf des Messers Schneide stehen und er marschiert in emotional hitzigen Partien wie zuletzt beim TV Oeffingen ganz cool zur Siebenmeter-Linie, als wäre er beim Einkaufen und müsse sich nur mal schnell in der Tiefkühltheke bedienen. „Dazu braucht man Selbstvertrauen“, sagt Neuffer, „und das muss man sich erarbeiten – dann kann man auch die anderen mitziehen.“ Denn der Familienvater ist kein Ego-Shooter, der seine Leistung über die der Mannschaft stellt. Früher, bekennt der Routinier, sei das vielleicht noch so gewesen, mittlerweile „ist es für mich gleichwertig, ob ich zehn Tore schieße oder ob ich zehn Assists an den Kreis spiele.“

Noch hat sich Lars Neuffer nicht entschieden, ob er in der nächsten Saison erneut das gelb-schwarze Trikot überstreift – womöglich wären manche Heimspiele dann eine schreckliche Tortur für ihn.